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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Natürlich war es durchaus möglich, dass sich Matthew und der Bischof in Whitchurch über den Weg gelaufen waren. Mr. Lyon hatte ganz recht gehabt, als er gesagt hatte, in Cannons und Whitchurch seien in den letzten Jahren die Bischöfe ein und aus gegangen. Selbstverständlich hatte Matthew, als Kirchendiener von St. Lawrence, all die Würdenträger dem Sehen nach gekannt. Aber an eine weitere Verbindung glaubte Bess nicht. Wie hätte sie auch zustande gekommen sein sollen? Und zu welchem Zweck?
    »Eine weitere Frage drängt sich auf«, fuhr Henry fort, während sie sich auf dem Sandweg der Kirche näherten. »Was hat das alles mit Mr. Wild und Mr. Pepusch zu tun? Und was verbindet Matthew mit Albrecht Niemeyer?« Er hielt plötzlich inne und deutete mit der Hand nach rechts. »Ist das Whitchurch?«
    Zwischen den Bäumen und hinter der mannshohen Friedhofsmauer war der quadratische Kirchturm zu sehen. »Die Kirche von St. Lawrence«, antwortete Bess nickend. »Das Küsterhaus ist hinter der Kirche, in einem kleinen Wäldchen.«
    »Niedliche Kirche«, meinte Henry. »Erstaunlich, dass der große Händel hier Orgel gespielt haben soll.«
    »Das würdest du nicht sagen, wenn du das Innere der Kirche gesehen hättest. Und die Orgel gehört hättest.«
    Sie betraten den südlichen Kirchhof durch den Torbogen, und Bess deutete nach Osten, in Richtung Chorraum. »Hinter der Sakristei führt ein Trampelpfad zum Küsterhaus. Es gibt keinen direkten Zugang von der Straße aus.«
    Henry hob plötzlich die Augenbrauen, wandte sich um und fragte: »Und wer sind die beiden Männer dort?«
    Links von der Kirche, im Schatten des Kirchturms, sah Bess den Reverend Desaguliers in Begleitung eines Mannes, der den Kopf gesenkt hielt und offenbar aufmerksam den Worten des Priesters lauschte. Die beiden Männer hatten den Friedhof auf der Nordseite betreten, und es war anzunehmen, dass sie von Cannons House her gekommen waren. Als der zweite Mann für einen Augenblick seinen Kopf hob, erkannte Bess unter der riesigen Ballonmütze das verschmitzt grinsende Gesicht von Dr. Arbuthnot.
    »Der Reverend und der Doktor«, entfuhr es Bess, und sie versteckte sich hinter einem von Buchsbaum umwucherten Grabmal. »Den beiden möchte ich nicht unbedingt begegnen. Duck dich!«
    Doch Henry tat nichts dergleichen. Er blieb aufrecht stehen und fragte: »Ist das Dr. Arbuthnot?«
    »Ja doch!«, zischte Bess. »Und jetzt runter mit dir!«
    »Geh du nur zum Küster und stell deine Fragen«, antwortete er lächelnd. »Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um den Reverend und den Doktor.« Damit näherte er sich den beiden Männern und rief: »Guten Morgen, Reverend! Und Euch auch, Sir! Herrliches Wetter für einen Spaziergang, nicht wahr?«
    Reverend Desaguliers betrachtete den schäbig gekleideten und vor Schmutz starrenden Ankömmling mit unverkennbarem Abscheu. Vor allem aber schien er verärgert darüber, dass er in seinen Ausführungen unterbrochen worden war.
    Der Doktor jedoch musterte Henry deutlich vergnügter. Vermutlich war ihm die unverhoffte Unterbrechung gelegen gekommen. Er fragte lachend: »Ihr seht mir nicht unbedingt wie ein morgendlicher Kirchgänger aus, Sir. Wollt Ihr das Kirchengold stehlen oder um Almosen betteln?«
    »Ihr werdet nicht vom Äußeren auf das Innere schließen«, antwortete Henry und verbeugte sich. »Dann wärt Ihr nicht Dr. Arbuthnot.«
    »Ihr kennt mich?«
    »Da, wo ich herkomme, werden Euer Witz und Euer Geist hoch geschätzt.«
    Der Doktor lachte und meinte: »Dann kommt Ihr aber nicht aus diesem Königreich. In England wird der Geist nämlich nur im Schnaps verehrt.«
    »Wo er bekanntlich das Verlangen befördert und das Tun dämpft.«
    Dr. Arbuthnot schaute Henry geradezu fassungslos an und fragte: »Ihr kennt Christopher Marlowe?«
    »William Shakespeare, Sir«, verbesserte Henry und verneigte sich. »Macbeth. Zweiter Akt. Die Pförtner-Szene.«
    »Pardonnez moi! Entschuldigt, Sir«, unterbrach der Priester das Gespräch und zupfte sich ungeduldig die Ärmel seines Talars zurecht. »Ihr habt uns unterbrochen, junger Mann, und ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr Eures Weges ginget. Au revoir!«
    »Nicht doch, lieber Reverend«, wehrte der Doktor ab und hakte sich bei Henry unter, als handelte es sich um einen alten Freund. »Wir haben hier offensichtlich einen Kenner des Theaters in unserer Mitte.«
    Bess betrachtete die seltsame Szene kopfschüttelnd und zugleich anerkennend lächelnd. Wieder einmal

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