Geheime Spiel
zuckersüßen Lächeln auf den Lippen und hoch erhobenen Hauptes verließ sie das Zimmer. Nur das leichte Humpeln verdarb ihren Abgang.
Während Emmeline eine andere Schallplatte auflegte und im Dreivierteltakt durch das Zimmer schwebte, verharrte Hannah an ihrem Schreibtisch, den Rücken noch immer uns zugekehrt. Das Kinn auf die verschränkten Hände gestützt, blickte sie aus dem Fenster und über die endlosen Felder. Als ich hinter sie trat, um Staub zu wischen, konnte ich an ihrem schwachen Spiegelbild im Fenster erkennen, dass sie tief in Gedanken versunken war.
Eine Woche später trafen die Festgäste ein. Wie üblich begannen sie unmittelbar nach ihrer Ankunft, sich in die unterschiedlichen von den Gastgebern arrangierten Aktivitäten zu stürzen. Einige erkundeten das Gelände, andere spielten eine Partie Bridge in der Bibliothek, während die Sportlicheren unter ihnen sich im Ertüchtigungsraum der Fechtkunst widmeten.
Nach den übermenschlichen Anstrengungen, die es sie gekostet hatte, den Ball vorzubereiten, verschlechterte sich Lady Violets Gesundheitszustand plötzlich so drastisch, dass sie das Bett hüten musste. Lady Clementine
suchte derweil anderweitig Gesellschaft. Angelockt vom Klirren der blitzenden Klingen ließ sie ihre massige Gestalt in einen Ledersessel sinken, von wo sie einen Blick auf die Fechtenden hatte. Als ich den Nachmittagstee servierte, war sie in ein gemütliches Tête-à-Tête mit Simion Luxton vertieft.
»Ihr Sohn ist ein guter Fechter«, bemerkte Lady Clementine und deutete auf einen der unter Masken verborgenen Männer. »Für einen Amerikaner.«
»Er mag ja wie ein Amerikaner sprechen, Lady Clementine, aber ich versichere Ihnen, dass er durch und durch Engländer ist.«
»In der Tat«, erwiderte Lady Clementine.
»Er ficht wie ein Engländer«, insistierte Simion lautstark. »Täuschend simpel. Im selben Stil, mit dem er bei den kommenden Parlamentswahlen einen Sitz erringen wird.«
»Ich hörte von seiner Nominierung«, sagte Lady Clementine. »Sie müssen hocherfreut sein.«
Simion war noch aufgeblasener als sonst. »Meinem Sohn steht eine blendende Zukunft bevor.«
»Wahrscheinlich repräsentiert er nahezu alles, was wir Konservativen von einem Parlamentarier erwarten. Bei meinem jüngsten Treffen der ›Konservativen Frauen‹ haben wir über den Mangel an guten, zuverlässigen Männern diskutiert, die Leuten wie Lloyd George etwas entgegenzusetzen haben.« Ihr taxierender Blick ruhte auf Teddy. »Ihr Sohn könnte dafür genau der Richtige sein, und ich wäre mehr als bereit, ihn zu unterstützen, sollte sich meine Vermutung bewahrheiten.« Sie nippte an ihrem Tee. »Natürlich gibt es da noch ein kleines Problem mit seiner Frau.«
»Da gibt es kein Problem«, erwiderte Luxton wegwerfend. »Teddy hat keine Frau.«
»Genau davon spreche ich, Mr Luxton.«
Luxton runzelte die Stirn.
»Einige der anderen Damen sind nicht so liberal eingestellt wie ich«, fuhr Lady Clementine fort. »Für sie ist das ein Zeichen eines schwachen Charakters. Die Familie hat für uns eine äußerst große Bedeutung. Ein Mann im besten Alter ohne Frau … da fangen die Leute an, sich Gedanken zu machen.«
»Er hat einfach noch nicht die Richtige gefunden.«
»Selbstverständlich, Mr Luxton. Sie und ich wissen das. Aber die anderen Damen … Sie betrachten Ihren Sohn und sehen einen sympathischen, gut aussehenden Mann, der so viel zu bieten hat, jedoch immer noch Junggeselle ist. Dann fragen sie sich natürlich, ob er womöglich gar keine Augen für Frauen hat.« Sie hob bedeutungsvoll Brauen.
Luxton lief rot an. »Mein Sohn ist nicht … Noch nie wurde ein Luxton beschuldigt, ein …«
»Aber selbstverständlich nicht, Mr Luxton«, unterbrach ihn Lady Clementine besänftigend, »und was ich eben sagte, ist doch auch nicht meine persönliche Meinung. Ich gebe nur die Überlegungen einiger unserer Damen wieder. Sie wollen wissen, dass ein Mann ein Mann ist. Und kein … Ästhet.« Mit einem dünnen Lächeln rückte sie ihre Brille zurecht. »Wie auch immer, es ist keine große Sache, und außerdem bleibt ja genügend Zeit. Schließlich ist er noch jung. Fünfundzwanzig, nicht wahr?«
»Einunddreißig«, antwortete Luxton.
»Oh«, sagte sie. »So jung also doch nicht mehr. Dennoch kein Grund zur Beunruhigung.« Lady Clementine wusste um die Wirkung von beredtem Schweigen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Fechtpartie zu.
»Sie können ganz beruhigt sein, Lady
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