Gehetzt - Thriller
aufgenommen hatte. Vielleicht hatten Michelle und Chris doch recht gehabt, auf Mineralwasser zurückzugreifen.
Warum dachte sie überhaupt an die beiden?
Weil sie ihr geholfen hatten. Deshalb. Sie hatten Gail und ihr geholfen. Sie hatten ihre eigene Freiheit riskiert, um ihr und Gail zu helfen. Sie waren zuverlässig. Sie waren gute Menschen. Wie Mel. Wie Rick Reed. So viele ihrer Gedanken und Überzeugungen waren auf den Kopf gestellt, durcheinandergeschüttelt und neu gemischt worden, als ob sie in eine Rührschüssel gekippt, auf höchster Stufe mit einem Mixer gerührt und zurück in ihren Kopf gegossen worden wären: ein Verwirrungspüree.
Diane trank ein Glas Wasser, dann noch eins und noch ein drittes. Dann ging sie zurück ins Zimmer und kramte das Handy aus ih rer Tasche. Sie fühlte sich schlecht, weil sie das Auto genommen hatte, und noch schlechter, weil sie einfach abgehauen war, ohne Gail zu erzählen, was sie vorhatte. Aber wenigstens hatte sie Gail auf diese Weise erspart, sich entscheiden zu müssen, ob sie mitkommen wollte oder nicht. Das verschaffte ihr das Gefühl, doch das Richtige getan zu haben, als sie sich klammheimlich aus dem Staub gemacht hatte. Dadurch hatte sie Gail von einer Last befreit, und Gail hatte es verdammt noch mal nicht ver dient, zusätzliche Lasten aufgebürdet zu bekommen. Doch das Mindeste, was sie tun konnte, war, Gail anzurufen und sie wissen zu lassen, dass es ihr gut ging und sie sich kei ne Sorgen wegen des Wagens machen müsse, weil sie ihn wieder zurückgeben würde. Und dass sie nicht dabei war, irgendwel chen verrückten Unsinn anzustellen, aufgrund dessen sie mit Sicherheit gefasst werden würde. Und dass Gail, falls sie, Diane, doch geschnappt werden würde, nichts zu befürchten hätte. Dass sie zwar eine Polizistin gewesen sein mochte, Gail aber nie und nimmer verpfeifen würde. Sie würde sogar abstreiten, dass Gail mit ihr zu sammen geflohen war; was Gails Flucht anging, würde sie einfach die Unwissende spielen.
Gail saß auf einem der schwarz gepolsterten Sitze neben ein paar Bildschirmen mit Informationen über Abflugzeiten und durchsuchte die Dallas Morning News nach irgendwelchen Verbrecherfotos von ihnen oder nach Schlagzeilen über sie. Sie wurden nirgends erwähnt, doch dann fiel ihr eine kleine Meldung ins Auge: Gefangener in Huntsville nimmt sich das Leben. Rick Churchpin. Das war doch derjenige welcher! Der Fall, von dem Diane besessen war! Wo zum Teufel steckte Diane? Und hatte sie etwas damit zu tun? Sehr
merkwürdig. Wirklich höchst seltsam. Vielleicht hatte sie etwas mit Churchpins Tod zu tun. Vielleicht hatte sie Fragen gestellt, die sie besser nicht gestellt hätte, und irgendjemand, mit dem sie sich in Verbindung gesetzt hatte, hatte wen auch immer gewarnt. Und der wiederum hatte dafür gesorgt, dass Churchpin tot aufgewacht war. Gail saß reglos da und versuchte zu denken und das Dröhnen in ihrem Hirn abzustellen. Warum interessierte sie sich über haupt dafür? Was ging Rick Churchpins Selbstmord sie an? Wenn er sich überhaupt selbst umgebracht hatte. Sie kannte keine Details seines Falls, nur das, was sie in je ner Nacht, als sie ins Archiv des Gefängnisses eingedrungen war, in dem Ermittlungsbericht über Diane gelesen hatte. Und die bruchstückhaften Fetzen, die sie im Laufe der Monate von Diane aufgeschnappt hatte. Jedenfalls bereitete ihr dieser Nachrichtenschnipsel ein sehr ungutes Gefühl im Hinblick darauf, wo Diane war und was sie tat. Gleichzeitig fühlte sie sich schlecht wegen Churchpin, obwohl sie ihn überhaupt nicht kannte. Nach allem, was sie über Gefängnisse wusste, schien es ihr durchaus nicht unwahrscheinlich, dass er umgebracht worden war. Doch warum nur? Warum war Diane abgehauen und hatte nichts mehr von sich hören lassen? Egal. Steig ins Flugzeug, und verschwinde von hier. Sie langte gerade nach ihrer Tasche, als ihr Handy klingelte. Oder piepte, oder was auch immer für ein Geräusch es war, das anzeigte, dass jemand sie anrief. Gail kramte es hervor und drückte die grüne Taste, während sie sich den Ohrknopf reinsteckte. Sie meldete sich und wartete. Sie meldete sich noch einmal.
Nichts.
»Also gut, ich beende jetzt die Verbindung«, sagte sie mit einer Singsangstimme, als sie versuchte, ihre Angst zu überspielen.
»He, Partnerin, würg mich nicht ab.«
Eine Woge der Wut und Erleichterung.
»Wo bist du?« Diane klang, als ob nichts geschehen wäre, als ob sie anriefe, um sich zu
Weitere Kostenlose Bücher