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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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davor. Also sieben- oder achtundzwanzig, so in der Kante.«
    Chess war froh, dass die Kellnerin das Essen brachte. So konnte sie sich über ihren Teller beugen. Sie hätte nie gedacht, dass er noch so jung war, auch wenn sie nicht hätte sagen können, wieso. Es war ja nicht so, dass er alt aussah oder graue Haare hatte. Er war einfach nur ... so groß. Es berührte sie eigenartig, dass er nicht viel älter war als sie, so als machte ihn das irgendwie realer. Sie räusperte sich und nahm ihren Burger in die Hand.
    »Wie geht’s Amy? Was macht sie heute Abend?«
    »Es geht ihr gut. Und sie macht, was sie halt macht, nehme ich mal an.«
    »Du weißt es nicht?«
    »Ich bin ja schließlich nich an sie gekettet.«
    Autsch. Sie musste den Riesenhappen, den sie abgebissen hatte - der Burger war köstlich! - erst mal runterschlucken, ehe sie etwas erwidern konnte. »Ich hab ja nur gefragt.«
    »Wir sind nich zusammen. Sie ist nur ’ne Bekannte.«
    »Dann tut’s mir leid, dass ich einfach so davon ausgegangen bin.«
    Einen Moment lang sah er aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann widmete er sich seinem Essen. Damit war das Gespräch beendet. Chess aß ebenfalls und schaute sich dabei ein bisschen um. Sie war noch nie in diesem Restaurant gewesen, obwohl es nicht allzu weit von ihrer Wohnung lag. Nur kriegte man hier nichts zum Mitnehmen, und sie hatte selten Lust, allein an einem Restauranttisch zu sitzen und zu essen - eigentlich nie -, und daher hatte sie den Laden nicht auf dem Schirm gehabt. Nun aber würde sie auf jeden Fall wiederkommen - falls dieser Burger bedeutete, dass auch das übrige Essen gut war, und der Koch nicht bloß wegen Terrible eine Ausnahme gemacht hatte.
    Das Lokal machte sogar einen sauberen Eindruck, und das wollte was heißen. Kein Wunder, dass es sich so schnell füllte. Die meisten Gesichter kannte sie nicht, aber einige schon - da saßen Leute, die auf dem Markt einen Stand hatten, ein Typ, der bei ihr auf der anderen Straßenseite wohnte, ein dunkles Gesicht mit Kohlebrocken statt Augen, die halb unter einer schwarzen Kapuze ...
    Ihr fiel der Burger aus der Hand.
    »Chess? Alles klar? Chess?«
    Sie hörte ihn kaum, so rauschte es ihr in den Ohren. Ihr schlotterten die Knie, als sie aufzustehen versuchte. Mit steifen Finger kramte sie in ihrer Tasche, obwohl sie wusste, dass es nutzlos war. Mit ein paar Kräutern und ein wenig Erde würde sich dieses Wesen - was immer es war - nicht vertreiben lassen. Sie musste sich Doyle und den anderen anschließen und die Sache vor den Großältesten bringen.
    Doch nachdem Terrible die Geister auf der Gasse besänftigt hatte, hoffte sie, auch diesen zum Verschwinden bringen zu können, nur vorübergehend, bis sie ...
    »Chess! Was siehst du?«
    Sie schob sich aus der Sitznische heraus und prallte prompt mit einer Kellnerin zusammen, die ein hoch beladenes Tablett trug. Chess kriegte die Kante des Tabletts in die Rippen, und die Kellnerin stürzte seitwärts zu Boden, mit einem Kreischen, das gar nicht mehr aufzuhören schien.
    Der Kapuzenmann war verschwunden.
    Mit pochendem Herzen blickte Chess im Restaurant hin und her und konnte es nicht glauben. Er war aufgetaucht und dann ... schon wieder einfach verschwunden? Folgte er ihr etwa? Schwebte er auf ihren Wegen durch die Stadt den ganzen Tag lang unsichtbar über ihr?
    Nein, das konnte nicht sein, oder? Das hätte sie doch gespürt.
    Eben hast da ihn doch auch nicht gespürt, oder?
    Ihre Beine ließen sie im Stich, und sie hielt sich an der Tischkante fest, um nicht umzufallen. Erst da wurde ihr bewusst, dass Terrible und die Kellnerin auf sie einredeten, dass sie die Kellnerin umgestoßen hatte und ein Vanilleshake von ihrem Tablett auf Terribles Hemd gelandet war.
    Die kleine Zeichnung auf dem zusammengefalteten Zettel ließ ihr Herz schneller schlagen. Keine Worte, nur die kunstvolle schwarze Tuscheskizze einer Tulpe — das konnte nur von einem stammen.
    Terrible war offenbar zu diskret, um zu fragen - da er für Bump arbeitete, hatte er sicher viel Übung darin, Dinge geflissentlich zu übersehen -, hob aber die buschigen Augenbrauen. Sie faltete den Zettel noch einmal zusammen und steckte ihn in die Hosentasche.
    »Also gut. Zieh das Hemd aus und gib’s mir.«
    »Das wasch ich zu Hause, Chess, das muss dich nich kümmern.«
    »Ich will nicht, dass da ein Fleck zurückbleibt. Komm, das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
    Er starrte sie eine Minute lang an. Und sie starrte zurück. Der

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