Geisterlicht: Roman (German Edition)
Gespräch sich im Kreis drehte. »Wenn du den Tee trinkst, wird er für immer mit dir zusammensein wollen – oder ein anderer Mann wird schon sehr bald diesen Wunsch haben. Auf jeden Fall wirst du glücklich werden.«
Mit zusammengekniffenen Augen sah Dawn zu, wie Fiona ihre Tasse füllte und sie ihr hinschob. »Aidan wird es sein, hundertprozentig«, murmelte sie beschwörend vor sich hin und umklammerte seinen silbernen Stift so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden.
»Nun trink«, befahl Fiona. »Langsam, in kleinen Schlucken.« Sie wusste, es war das Beste, was sie für ihre kleine Schwester tun konnte – und auch für Aidan und für sich. Dennoch kam sie sich in diesem Moment wie eine Verräterin vor, weil sie Dawn nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.
Zögernd hob Dawn die Tasse an die Lippen. Fiona sah sie an, konzentrierte sich auf ihre Liebe zu ihrer Schwester, die warm wie eine Flamme in ihrem Inneren brannte, und murmelte die Worte vor sich hin, die im Buch der Abercrombies aufgezeichnet waren. Unverständliche, wohlklingende Worte, mit denen sie hoffte, Dawn das Glück zu verschaffen, das sie verdient hatte.
»Bitter«, verkündete Dawn, nachdem sie gehorsam mit kleinen Schlucken die Tasse geleert hatte.
»Bittere Medizin hilft meistens besser.« Fiona bemühte sich um einen lässigen Tonfall, konnte aber selber hören, dass ihre Stimme gepresst klang. Sie klappte das Zauberbuch zu und ging um den Tisch herum zu ihrer Schwester, die ebenfalls aufgestanden war. Wortlos nahm sie Dawn den Kugelschreiber aus der Hand, den sie immer noch umklammerte. Dann schloss Fiona sie in die Arme und hielt sie lange fest. Der Gedanke, dass es vielleicht zum letzten Mal war, schnürte ihr die Kehle zu und machte ihr das Atmen schwer.
»Es gibt etwas, das ich heute noch erledigen muss«, sagte sie, nachdem sie Dawn widerstrebend losgelassen hatte. Wenn sie es nicht sehr bald tat, würde sie wahrscheinlich nie den Mut dazu finden.
»Was denn?« Neugierig sah Dawn sie an.
»Das ist … Ich erzähle es dir lieber erst hinterher.«
Fiona konnte es Dawn nicht sagen. Ihre Schwester hätte sicher versucht, sie an ihrem Plan zu hindern. Oder sie hätte ihn selber in den Hand genommen, was nicht nur gefährlich, sondern auch sinnlos gewesen wäre.
»Geht es um Catriona? Ich dachte, wir sind uns einig, dass sie jetzt ihre Ruhe gefunden hat.« Dawn folgte ihr zur Tür.
»Ich glaube, um Catriona müssen wir uns keine Sorgen mehr machen.« Beim Gedanken an die Frau aus vergangenen Zeiten, der sie so ähnlich sah, musste Fiona lächeln. Es war schön, zu wissen, dass es ihrer Urahnin nun gutging. »Bleib bitte hier zu Hause und warte auf mich. Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin.«
»Wie lange wird es dauern?«
»Ich hoffe, dass ich in zwei oder drei Stunden wieder da bin.« Bevor sie zum Loch Sinclair fuhr, musste sie Aidan noch einmal sehen. Ihn zu berühren, würde ihr Kraft und Mut für ihr Vorhaben geben.
»So lange bleibst du fort?« Dawn klang enttäuscht. »Aber dann könnte ich doch in der Zwischenzeit rasch Aidan besuchen …«
Energisch schüttelte Fiona den Kopf. »Ich brauche das Auto. Außerdem würde es mich beruhigen, wenn ich weiß, dass du hier zu Hause auf mich wartest.«
»Aber wieso musst du denn beruhigt werden?!«, erkundigte Dawn sich misstrauisch. »Was hast du vor?«
Hastig umarmte Fiona ihre Schwester noch einmal, schlüpfte in ihre Jacke, steckte, ohne dass Dawn es bemerkte, den Kugelschreiber in die Tasche und verließ das Haus.
Auf dem Baum vor der Haustür saß Lillybeth. Sie schien zu ahnen, dass Fiona einen schweren Weg vor sich hatte und ihre Unterstützung brauchte. Es war sicher gut, wenn die Räbin wusste, wo sie war, falls es ihr nicht gelang, zurückzukehren.
Fiona stieg in das kleine rote Auto, murmelte ganz selbstverständlich den Zauber, der den altersschwachen Motor in Gang setzte, und fuhr los. Mit einem Blick durchs Seitenfenster überzeugte sie sich, dass Lillybeth ihr folgte, dann sah sie starr nach vorn, dorthin, wo der See lag, dessen unergründliche Tiefen auf sie warteten.
Einundzwanzigstes Kapitel
Aidan ruhte in einem der Ledersessel im Arbeitszimmer, schaute durch das Turmfenster hinunter auf den Loch Sinclair und dachte an Fiona. Es gab Momente, in denen er sich nichts sehnlicher wünschte, als den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen, und andere Augenblicke, in denen er sich fast sicher war, dass es ihm nicht gelingen würde, sie so zu
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