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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Saunders
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erwarten, war sie mindestens eine Woche alt und enthielt ironischerweise keine Nachrichten, sondern nur Anzeigen, von Hinterhof-Flohmärkten bis zu einem Spencer-Gray-Konzert. Gelangweilt
rollte er die Zeitung wieder zusammen und klemmte sie in die Lücke zwischen Sitzbank und Rückwand.
    Als er wieder aufblickte, waren vier Kids in der Straße aufgetaucht, und zwar von der schlimmen Sorte. Das erkannte er am Gang-Outfit und ihren derben, lauten Jungenstimmen. Rücksichtslos rasten sie mit ihren Rädern durch Vorgärten, setzten über Hecken und machten Blumenbeete platt. Simon drückte sich tiefer ins Wartehäuschen, zog sich die Kappe noch weiter ins Gesicht und beobachtete die Gruppe mit klopfendem Herzen.
    Die vier Knaben wüteten nicht nur in den Gärten, sie rasten mit ihren BMX-Rädern aufeinander zu, umkreisten sich, prallten zusammen, während sie sich wüste Beschimpfungen an den Kopf warfen. Aufgrund ihrer Kapriolen kamen sie nur langsam näher. Simon warf einen Blick auf seine Uhr. Noch fünf Minuten, bis der Bus kam. Er musste gegen den Drang ankämpfen, aufzustehen und sich hinter dem Bushäuschen zu verstecken, so wie er es in der Highschool getan hätte. Aber er war nicht mehr in der Highschool. Er war kein hilfloses Opfer. Also blieb er sitzen. Die Kids bogen um die Ecke und verschwanden. Simon atmete auf.
    Als die Stimmen wenig später schrill direkt hinter ihm erklangen, war er vollkommen überrumpelt. Erschrocken fuhr er zusammen, er fühlte sich wie ein erbärmlicher Feigling.
    Â»Schwache Nerven, Alter, wie?«, sagte der eine herausfordernd und blieb mit seinem Rad schlitternd direkt vor Simon stehen, dass Dreck und Kippen nur so flogen.
    Der Junge war ungefähr zwölf, sommersprossig, mit einem Topfschnitt. Harmlos, wenn man dumm genug war, die Schorfwunden an Knien, Schienbeinen und Ellbogen zu übersehen. Die anderen drei bremsten mit nicht weniger Fanfare hinter ihrem Anführer ab. Staub wirbelte auf.

    Â»Haste deine Zunge verschluckt?«, fragte ein stämmiger Junge mit Stachelfrisur.
    Simon überlegte, ließ verschiedene mögliche Szenarien an seinem inneren Auge vorbeiziehen und versuchte, das Beste herauszupicken.
    Â»Verpisst euch«, knurrte er.
    Â»Autsch«, sagte der Junge mit dem Topfhaarschnitt und schüttelte die Hand, als ob er sich verbrannt hätte, wobei er sich zu seinen Kumpels umdrehte, um deren Reaktion zu testen. Stachelkopf rollte ein Stück vor, wie um seine Solidarität zu demonstrieren.
    Â»Haste’nen Kühlschrank zu Hause, Mister?«
    Â»Verpisst euch.«
    Topfschnitt kam näher, verlagerte sein Gewicht auf die Vorderräder und fuhr Simon auf den rechten Turnschuh.
    Das geschah so schnell, dass Simons Reaktion – ein Tritt mit dem linken Fuß – zu spät kam und nur noch lächerlich wirkte. Das pubertäre Arschloch hatte sich längst wieder zu seinem Rudel zurückgezogen, das prompt in brüllendes Gelächter ausbrach.
    Â»Hab gefragt, ob du’nen Kühlschrank zu Hause hast«, wiederholte Stoppelkopf.
    Â»Ja und?«, zischte Simon.
    Â»Läuft der, Mann?«
    Â»Was geht dich das an?«
    Das Quartett rückte näher wie eine eingeübte Balletttruppe und wirkte auf einmal größer, kompakter, bedrohlicher.
    Â»Und läuft er?«, erkundigte sich der Igelkopf.
    Â»Ja.«
    Â»Dann solltest du ihm besser hinterherrennen, oder?«, brüllte Topfschnitt.
    Â»Ihr sollt euch verpissen!«, fauchte Simon wütend.

    Â»Das würde dir wohl so passen, Fettsack.«
    Â»Lauf, Dickerchen, lauf«, spottete der andere.
    Simon, der dünn und zierlich war, wunderte sich einen Moment lang über diese Bezeichnung, hielt sich aber nicht weiter damit auf. Wer wusste schon, was in den Köpfen von diesen bescheuerten Idioten vorging.
    Stachelkopf hob die Hand und machte eine obszöne Bewegung mit dem Zeigefinger.
    Â»Wenn du auf’ne schnelle Nummer aus bist, Alter, dann biste hier falsch. Hier mögen wir sie jünger, und wir mögen sie mit Titten!« Das Quartett brach in lautes Gekicher aus. »Wenn du also in den Bus springst, dann kauf dir ja keine Rückfahrkarte, verstanden?«
    Zufrieden, dass sie Simon mundtot gemacht hatten, vollführte das Quartett ein paar Kunststücke auf ihren BMX-Rädern, die zahlende Zuschauer sicher beeindruckt hätten. Aber Simon war kein zahlender Zuschauer und wusste

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