GK0122 - Der Fluch aus dem Dschungel
ein totes Stück, sie lebt nicht. Der Eindringling ging bis zur Wand vor und faßte mit der rechten Hand nach der Maske.
Sie war aus Holz. Und sie schien zu leben. Der Dieb hatte das Gefühl, in ein Gesicht gefaßt zu haben, in dem das Blut durch die Adern pulsierte.
Die Maske war nicht groß. Sie hatte ungefähr die Länge eines halben Armes. Der Eindringling konnte sie bequem in die Innentasche seines Mantels stecken.
Wenigstens etwas, dachte er, als er das Haus des holländischen Kaufmanns verließ. Fünfzig Gulden wird das Ding schon bringen. Mal sehen, was Lizzy dazu sagt.
Der Dieb ahnte nicht, daß er den Tod mit nach Hause brachte…
***
Lizzy wartete in der bescheidenen Zwei-Zimmer-Wohnung, wobei das Wort Wohnung eigentlich übertrieben war, wenn man sich die Bude genauer ansah. Die Wände waren feucht, und das Muster der Tapeten vom Schimmel gebleicht. Die Einrichtung war billig, und einzig der Fernsehapparat taugte etwas, dafür jedoch das Programm wieder nicht.
Es war schon zum Heulen.
Das fand auch Lizzy, als sie vor dem wackeligen Tisch saß, die Arme auf die Platte gestützt hatte und eine Zigarette qualmte. Von der billigsten Sorte versteht sich, denn Geld war so gut wie keines mehr da. Wenn Piet heute nicht etwas herbeischaffte, sah es böse aus. Lizzy wunderte sich selbst, warum sie immer noch mit dem Gelegenheitsdieb Piet Dreesen zusammenwohnte. Aber sie war schließlich auch nicht mehr die Jüngste, und wenn sie an die beiden Zuhälter vor Piets Zeit dachte – nein danke, dann lieber so.
Die Frau stand auf. Ihre Bewegungen wirkten träge, abgekämpft. Sie hatte in den Jahren Fett angesetzt, und der grüne Kittel malte jedes Fettpölsterchen nach.
Lizzy ging ans Fenster und preßte ihr Gesicht gegen die Scheibe. Draußen nieselte es noch immer. Vom Wasser her trieben Nebelschwaden durch die Gassen.
Mit einem heftigen Ruck zog Lizzy das Fenster auf. Es klemmte. Wie immer.
Die Frau beugte sich nach draußen und schnippte die Zigarettenkippe in die Tiefe. Der Stummel beschrieb einen glühenden Halbkreis und verlosch zischend.
Eine Gestalt tauchte am Ende der Gasse auf. Sie hatte den Mantelkragen hochgestellt und die Arme vor der Brust verschränkt.
Das war Piet Dreesen. Lizzy erkannte ihn am Gang. Und er schien es eilig zu haben. Sollten ihm die Bullen auf den Fersen sein?
Lizzy schloß das Fenster. Sie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Unten klappte die Haustür. Lizzy stand schon im Flur, als Piet die wacklige Treppe hochkam.
»Na, hast du was?« Lizzys Stimme klang hoffnungsvoll.
»Ach, hör auf«, knurrte Piet und drängte sich an Lizzy vorbei.
»Also wieder nichts«, keifte die Frau und schloß wütend hinter Piet die Tür.
Dreesen war bereits im Wohnraum und schlüpfte aus seinem Mantel. Die Maske hatte er auf den Tisch gelegt.
»Ist das deine Beute?« fragte Lizzy und bekam große Augen.
Piet nickte, daß seine strähnigen Haare flogen. »Ja, das ist sie.«
Da begann Lizzy schrill zu lachen. »Ich glaub, ich werd verrückt«, gluckste sie. »Und für solch einen Mist warst du drei Stunden weg? Diese blöde Maske lockt nicht mal den miesesten Trödler von ganz Amsterdam aus dem Bau.«
»Bist du dir da so sicher?« fragte Piet und sah Lizzy schräg von der Seite an.
»Ja, zum Teufel.«
»Dann gehen unsere Meinungen auseinander. Diese Maske bringt mir mindestens…« Dreesen überlegte und kratzte sich am Kopf. »Also mindestens fünfzig Gulden.«
Lizzy prustete los. »Wie blöd muß man eigentlich sein, um das zu glauben?« fragte sie.
Piet Dreesen wirbelte herum. Er hatte schon den Arm zum Schlag erhoben, ließ ihn aber wieder sinken. »Du bist es doch gar nicht wert, daß ich mir an dir die Finger dreckig mache.«
»So, das ist also deine Meinung. Na, dann will ich dir mal was sagen. Ich haue ab. Morgen früh packe ich meine Klamotten. Dann kannst du sehen, wo du eine herkriegst, die dir deine Sachen wäscht und auch noch mit dir ins Bett geht. Ich finde schon einen anderen.«
Piet Dreesen grinste verächtlich. »Sieh dich doch nur mal im Spiegel an«, erwiderte er.
»Oh, du – du…« Lizzy fiel das passende Wort im Augenblick nicht ein. Das war auch gar nicht mehr nötig, denn Piet war schon im Nebenraum verschwunden.
Wütend zündete sich Lizzy eine Zigarette an. Es war die letzte aus der Packung. Hastig stieß die Frau den Rauch aus. Dann besah sie sich die Maske.
Und plötzlich bekam sie Angst. Die leeren Augenhöhlen schienen mit einem unheilvollen
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