Goettin in Gummistiefeln
um.
»Samantha, wie Sie wissen, wird gerade eine Untersuchung ... neuerer Erkenntnisse durchgeführt. Die Ergebnisse liegen zwar noch nicht vollständig vor, aber ...« Er unterbricht sich. Seine Miene ist angespannt, und ich sehe, dass auch einige andere ernüchterte Blicke wechseln. »Aber wir sind dennoch bereits zu zumindest einer Erkenntnis gelangt: Man hat Ihnen Unrecht getan.«
Ich starre ihn fassungslos an. Er gibt es zu? Ein Anwalt gibt einen Fehler zu? Das ist doch fast so, als würde ein Filmstar eingestehen, dass er sich das Fett hat absaugen lassen.
»Wie bitte?« Ich muss es noch mal aus seinem Munde hören.
»Man hat Ihnen Unrecht getan.« Ketterman runzelt die Stirn. Er hat ganz offensichtlich keine Freude an diesem Teil des Gesprächs.
Ich hätte am liebsten gekichert. »Ich ... hatte Unrecht?«, frage ich blöde.
»Ihnen wurde Unrecht getan!«, faucht er. »Man hat Ihnen Unrecht getan!«
»Ach, man hat mir Unrecht getan. Ach so! Danke.« Ich lächle höflich. »Ich weiß Ihre Entschuldigung zu schätzen.«
Jetzt werden sie mir gleich irgendeinen Bonus anbieten, schießt es mir durch den Kopf. Einen sündteuren Geschenkkorb. Oder eine Ferienreise.
»Und aus diesem Grunde ...« Ketterman hält bedeutungsvoll inne. »Möchten wir Ihnen eine Teilhaberschaft anbieten. Wirksam ab sofort.«
Ich bin so schockiert, dass ich mich fast auf den Boden gesetzt hätte. Eine Teilhaberschaft?
Ich mache den Mund auf- aber ich bringe kein Wort hervor. Mir ist buchstäblich die Spucke weggeblieben. Hilflos schaue ich mich um, zapple wie ein Fisch an der Angel. Eine Teilhaberschaft ist das Höchste, was man erreichen kann, der Gipfel der Karriere. Der renommierteste Posten, den es in unserem Bereich des Anwaltswesens zu vergeben gibt. Das hätte ich nie, niemals erwartet.
»Willkommen zurück in unserer Mitte, Samantha«, sagt Greg Parker.
»Willkommen zurück«, sagen auch ein paar andere. David Elldridge schenkt mir ein herzliches Lächeln, Guy hält grinsend den Daumen hoch.
»Wir haben auch schon Champagner kalt stellen lassen.« Ketterman nickt Guy zu, der die zweiflügelige Tür öffnet. Sogleich kommen zwei Kellnerinnen aus der Vorstandskantine herein, auf den Armen Tabletts mit Champagnerflöten. Jemand drückt mir ein Glas in die Hand.
Das geht alles viel zu schnell. Ich muss was sagen.
»Ah ... entschuldigen Sie bitte?«, rufe ich. »Ich habe noch gar nicht gesagt, ob ich annehme.«
Der ganze Raum scheint zu erstarren wie ein Videostandbild.
»Wie bitte?« Ketterman dreht sich mit fassungsloser Miene zu mir um.
O Gott. Ich glaube nicht, dass sie das sonderlich gut aufnehmen werden.
»Die Sache ist die ...« Ich unterbreche mich und nehme einen kräftigen Schluck Champagner, um mir ein bisschen Mut für das Kommende zu machen und auch um zu überlegen, wie ich es möglichst taktvoll formuliere.
Ich habe den ganzen Tag lang nachgedacht, wieder und wieder. Seniorpartner bei Carter Spink zu werden ist ein Traum, den ich mein ganzes Erwachsenenleben lang geträumt habe. Der Hauptgewinn. Der Jackpot. Alles, was ich je wollte.
Bloß ... da sind noch all die Dinge, von denen ich gar nicht gewusst habe, dass ich sie ebenfalls will. Von denen ich bis vor ein paar Wochen überhaupt keine Ahnung hatte. Wie frische Luft. Ungestörte Feierabende. Freie Wochenenden. Verabredungen mit Freunden. Nach der Arbeit im Pub sitzen bei einem Glas Cidre, nichts zu tun, nichts, woran man denken muss, nichts, das drohend über einem schwebt.
Selbst wenn sie mir jetzt eine Teilhaberschaft anbieten, ändert das nichts. Es ändert mich nicht. Mrs. Farley hatte Recht: Aus mir ist ein Schmetterling geworden. Ich kann mich nicht wieder in eine Raupe zurückverwandeln.
Warum sollte ich auch eine Raupe sein wollen?
Ich räuspere mich und lasse den Blick über die Anwesenden schweifen.
»Ihr Angebot ist eine große Ehre«, erkläre ich ernst. »Und ich bin Ihnen zutiefst dankbar. Aber ... ich bin nicht deshalb zurückgekommen, um meine alte Stelle wiederzubekommen. Ich bin gekommen, um meinen guten Ruf wiederherzustellen. Damit mein Name nicht länger in den Dreck gezogen wird. Um zu beweisen, dass ich keinen Fehler gemacht habe.« Ich kann nicht anders, ich muss Guy bei diesen Worten einen bezeichnenden Blick zuwerfen. »Die Wahrheit ist, seit ich Carter Spink verlassen habe, habe ich mich ... na ja ... weiterentwickelt. Ich habe eine Stelle. Die mir sehr gefällt. Ich kann Ihr großzügiges Angebot daher nicht
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