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Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Titel: Grappa 11 - Grappa und das große Rennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Stellungnahme gegenüber Radio Bierstadt geht Staatsanwältin Cosel von einem privaten Racheakt aus. Von dem Täter fehlt bisher jede Spur, auch das Motiv für die Tat ist noch völlig unklar.
    Prima, dachte ich, es konnte nicht besser laufen. Gut, dass niemand verletzt worden war, sonst hätte Nazmi noch mehr Schwierigkeiten bekommen.
    Ich ging zum Telefon, wählte TOPs Nummer, er war gleich am Apparat.
    »Ich wollte mich zurückmelden«, sagte ich.
    »Verdammt, wo bist du abgeblieben?«, fragte er sofort. »Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du plötzlich weg warst. Die Feuerwehr hat auf meine Bitte hin das Haus nach deiner Leiche durchsucht. Ich dachte, du hättest es nicht mehr geschafft.«
    »Tut mir Leid, ich hätte mich eher melden sollen.«
    »Wo warst du?«
    »Ich habe einen Bekannten getroffen«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Bei dem habe ich auch geschlafen.«
    »Du hast bei ihm übernachtet?«
    »Mir blieb nichts anderes übrig – ich hatte diese schrecklichen Klamotten an.«
    »Kann es sein, dass dein Bekannter der Mann ist, der die beiden Brandsätze geworfen hat?«
    »Wie kommst du darauf?« Jetzt hieß es, vorsichtig zu sein.
    »Du kennst ihn – gib es zu!«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Hör mal, Grappa«, sagte Piny mit viel Ärger in der Stimme. »Ich hatte dich voll im Blick. Sah, wie du an der Brust eines vermummten Kerls hingst. Und wenn mich nicht alles täuscht, war es der Typ, der das Feuer verursacht hat.«
    »Ich weiß nicht, wen du meinst. Ein alter Bekannter hat mich aufgegabelt, nachdem es mir gelungen war, nach draußen zu rennen. Ich hätte ja auf dich gewartet, doch ich habe dich in dem Gewühl nicht gefunden ...« Ich merkte, dass sich meine Lügen wie Lügen anhörten.
    »Red nicht solchen Schwachsinn«, fuhr mich TOP an. »Wenn wir die Sache gemeinsam durchziehen wollen, dann ist ja wohl gegenseitiges Vertrauen angesagt.«
    Er machte eine Pause. Dann sagte er: »Also – wer ist der Attentäter?«
    »Bitte, TOP! Ich kann's dir nicht sagen. Noch nicht. Ich muss meine Gedanken erst mal ordnen.«
    »War er wenigstens gut im Bett? Bist du auf deine Kosten gekommen?«
    »Hör endlich auf! Wir sind hier nicht bei der heiligen Inquisition!«, gab ich zurück.
    »Ich bin echt sauer auf dich, Grappa! Unsere Zusammenarbeit ist ab sofort beendet«, kündigte Piny an. »Zurzeit haben wir ja ohnehin keine Gemeinsamkeiten mehr – zumindest so lange nicht, bis du mir reinen Wein einschenkst. Siehst du das auch so?«
    Ich schluckte, doch ich hatte keinen Grund, ihm zu widersprechen.

Mein Lächeln
    Zum Gedenken an Marja – ich liebe dich sehr . Darunter das Geburtsdatum, daneben der Zusatz: Verschollen seit dem Sommer 1992 . Und ganz unten war zu lesen: Ich werde dich immer lieben – Nazmi.
    Ich saß noch immer in meiner Küche, hatte den Anzeigenteil des Bierstädter Tageblattes von Samstag aufgeschlagen und knusperte gedankenverloren an einem Stück Brot.
    Marja, Nazmis verschwundene Frau, hätte gestern Geburtstag gehabt, sie wäre fünfunddreißig Jahre alt geworden. 1992, im Bosnienkrieg, war sie von serbischen Soldaten verschleppt worden – Nazmis Nachforschungen hatten ergeben, dass sie über ein Jahr in einem Bordell zwangsinterniert worden war. Danach verlor sich ihre Spur im Nirgendwo, die offiziellen Stellen gingen davon aus, dass Marja nicht mehr lebte, ermordet und irgendwo verscharrt worden war.
    Ich hatte von den furchtbaren Gräueltaten der Serben während des Krieges in Bosnien gelesen, wusste, dass Übergriffe auf muslimische Frauen gerade in diesem Krieg eine bewusst eingesetzte Kriegswaffe gewesen waren – in einer Gesellschaft, in der Sexualität mehr tabuisiert war als bei uns. Doch es war etwas anderes, mit dem Schmerz und der Gewalt direkt konfrontiert zu werden, ihn mit Personen zu verbinden, die man kannte.
    Nazmi hatte mir ein Foto seiner Frau gezeigt: Sie sah mir wirklich ein bisschen ähnlich, war natürlich jünger als ich, hatte braune und keine roten Haare – aber das Lächeln war gleich. Es war, als würde ich meiner jüngeren Schwester ins Gesicht schauen. Ich versuchte mir vorzustellen, was diese Frau durchgemacht hatte, doch meine Fantasie verweigerte den Aufbau von Horrorszenarien.
    Wie erst musste es Nazmi empfinden? Welche Bilder trug er in sich? Welche Schreie hörte er wieder und immer wieder? Wie konnte er das ertragen?
    Ich verstand seinen Hass auf Männer, die Frauen Gewalt antaten. Ich begriff, dass er die manierierten Typen

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