Grave Mercy Die Novizin des Todes
erinnert mich auf unheimliche Weise an Hauptmann Dunois.
Ein alter, gebeugter Mann schiebt einen Wagen mit zwei Narren herein. Ein dritter Narr kommt hereingetänzelt, und an einem Stock über seiner Schulter hängt eine Schweinsblase. Es herrscht das reinste Chaos, während sie ihre Mätzchen machen und dabei gleichzeitig komisch und grotesk aussehen. Die Narren gehen zu den Tischen und beginnen mit den Gästen zu würfeln.
Die Herzogin hat nur Augen für Isabeau, die lacht und in die Hände klatscht, absolut entzückt. Ein weiterer Schausteller kommt mit einem großen Fass herein. Es folgt ein Trommelwirbel, ein dunkles, primitives Geräusch. Ein hirschköpfiger Mann springt aus dem Fass ins Getümmel; er repräsentiert den Schutzheiligen gehörnter Kreaturen, Dea Matronas Gefährten. Er wird am kürzesten Tag eines jeden Jahres geboren, nur um zur Sommersonnenwende zu sterben.
Die Musik verändert sich abermals, und ein Mann, der als junges Mädchen verkleidet ist und einen Blumenstrauß in der Hand hält, macht zwischen den Tischen seine Mätzchen. Die Musikanten spielen tiefer, beängstigender. Aus den Schatten tritt die schwarzgewandete, skelettartige Gestalt des Todes selbst. Alle schnappen nach Luft.
Das Mädchen versucht wegzurennen, aber vier maskierte Männer springen aus der Dunkelheit; sie reiten auf vier Steckenpferden. Ihre roten und schwarzen Masken verbergen ihre Gesichter, und ich schaudere. Sie sind Teufelsknechte, die wilde Jagd, die Dea Matronas Tochter geholt und in die Unterwelt des Todes gebracht hat, woraufhin Dea Matrona unsere Welt in ihrem Kummer kahl und unfruchtbar gemacht hat.
Das Mädchen weicht ihnen aus. Einmal. Zweimal. Aber beim dritten Mal umringen es die Teufelsknechte. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Dies ist doch gewiss zu beängstigend für die kleine Isabeau?
Ich schaue zu ihr hinüber, um festzustellen, wie es ihr ergeht, und mir stockt der Atem, als ich sehe, wie nah einer der Teufelsknechte der hohen Tafel gekommen ist. Irgendeine innere Warnung – vielleicht Mortains Flüstern selbst – erklingt in meinem Kopf, und ich bin auf den Füßen, drängele mich durch die umhertollenden Schausteller und greife nach der unter meinem Überrock verborgenen Armbrust.
Der ganze Hof schnappt nach Luft, als ein Teufelsknecht auf den Tisch vor der Herzogin springt und ein Messer zückt. Die meisten denken, es sei Teil der Darbietung. Duval und Dunois wissen es besser und greifen nach ihren Schwertern, aber sie sind zu weit weg. Mit einem von Herzen kommenden Gebet an meinen Gott drücke ich den Bolzen in die Armbrust und lasse ihn wegschnellen.
Der Bolzen trifft den Teufelsknecht im Nacken, direkt unterhalb des Schutzes seiner Maske. Er erstarrt; das Messer entgleitet seinen krampfartig zuckenden Fingern, und er fällt nach vorn.
Die Herzogin schafft es, rechtzeitig wegzuspringen, um nicht von dem fallenden Leichnam erdrückt zu werden. Dunkelrotes Blut spritzt auf ihr bleiches Gesicht.
Der Aufruhr folgt auf dem Fuße.
Damen schreien, Höflinge rufen durcheinander und huschen davon. Wachen strömen aus dem Flur herein und umzingeln die Schausteller, die in schockiertem Schweigen den Toten betrachten.
Hauptmann Dunois’ Augen weiten sich vor Bewunderung. »Hervorragender Schuss.«
Ich nehme das Kompliment mit einer Neigung des Kopfes zur Kenntnis. »Fangt Isabeau auf«, sage ich zu Duval, kurz bevor sie zusammenbricht. Aber Duvals Reflexe sind gut, und er kann verhindern, dass sie auf dem Boden aufschlägt. »De Waroch! De Lornay! Befragt sie.« Er deutet mit dem Kopf auf die benommenen Schausteller. »Euer Hoheit, ich denke, wir sollten Euch in Eure Räume zurückbringen«, sagt er zu Anne.
Blass und zitternd nickt die Herzogin und folgt ihm, während er ihre Schwester in den Wintergarten trägt. Marschall Rieux starrt mich an, als befürchte er, dass auch ich aus dem Fass des Schaustellers gesprungen bin. »Was hat das zu bedeuten?« Rieux schlägt mit der Hand auf den Tisch.
Kanzler Crunard greift ein, um die Wogen zu glätten. »Ich denke, Erklärungen werden am besten an einem ungestörten Ort abgegeben. Vielleicht sollten wir uns alle in die Gemächer der Herzogin zurückziehen.« Sein Blick sucht den meinen. »Ihr ebenfalls, Demoiselle«, fügt er hinzu.
Jetzt, da die Schrecksekunde vorbei ist und die Gefahr vorüber, beginne ich zu zittern. So knapp. Zu knapp. Ohne auf das Wispern und die ausgestreckten Finger zu achten, folge ich ihnen aus der Halle.
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