Grim - Das Erbe des Lichts
ihr Blut, das sie teilweise selbst aufzehrten, bevor ...«
Grim sog ungeduldig die Luft ein. »Bevor was?«
Lyskian sah ihn an, auf einmal war jeder Gleichmut aus seinem Gesicht gewichen. »Bevor sie in die Schlacht zogen.«
Remis hustete hektisch. »Soll das heißen, dass ...«
»Wer will in die Schlacht gegen die Menschen ziehen?«, unterbrach Grim ihn. »Wer, Lyskian?«
Der Vampir neigte den Kopf, fast so, als wollte er seine Worte vor den Flammen schützen, die sie umgaben. »Vielleicht wirst du schon von ihnen gehört haben«, raunte er. »Aus den grauen Nebeln der Vorzeit suchen sie uns heim, Schatten der Vergangenheit, und steigern in blutigen Riten ihre Kräfte. Die, von denen ich spreche, etablierten den Schwarzen Odinkult wie kein anderes Volk der Anderwelt und vollzogen zum Zeichen ihrer erlangten Kriegerschaft ein düsteres Ritual: Dabei rissen sie sich das linke Auge aus dem Leib, wie einst Odin sein linkes Auge gab, um durch Mimirs Brunnen seherische Kräfte zu erlangen. Niemand weiß genau, mit welchen Mächten sich diese Krieger einließen, doch es war nicht Weisheit, nach der sie strebten, sondern die Vollendung ihrer Macht und Gier. Viele sahen in ihren Riten keine Verehrung Odins, sondern Lokis, seines Blutsbruders, dem Gott des Feuers, der Ragnarök und damit die Vernichtung der Götter einleiten wird. So oder so handelt es sich um ein Kriegervolk, das sich vom Volk der Alben abspaltete und später in eine Welt des Nichts verbannt wurde, eine Welt, die kein sterbliches Wesen jemals durchschreiten kann, es sei denn auf den Armen ...«
»... eines Zwischenweltlers«, murmelte Grim nachdenklich. Er schaute in die dunklen Schleier von Lyskians Augen, und langsam tauchte ein Name in ihm auf, als hätte der Vampir ihn Grim ins Ohr geflüstert. Lähmend wie Gift glitt er durch Grims Gedanken und ließ bleierne Kälte in seinen Körper ziehen, bis er sich als schwarze Flamme auf seiner Zunge zusammenzog. Grim öffnete den Mund, und heiser, als hätte ein Sturmwind ihm das Wort von der Zunge gerissen, flüsterte er: »Die Schattenalben.«
Für einen Moment flackerten die Flammen im Raum auf. Grim meinte, höhnisch lachende Stimmen zu hören. Angespannt räusperte er sich. »Ich habe geglaubt, dieses Volk sei eine Legende, eine Sage aus den Annalen der Ersten Zeit.«
Lyskian schüttelte kaum merklich den Kopf. »Du irrst dich«, erwiderte er fast flüsternd. »Dieses Volk ist weit mehr als das. Entsprungen aus dem Volk der einstigen Alben, wurde es im Laufe der Zeit zu einem grausamen Kriegervolk.«
»Ich hörte, dass sie nicht sterben können«, flüsterte Remis und schickte Grim mit seinen Worten einen Schauer über den Rücken.
»Diese Erfahrung haben wir selbst gemacht«, raunte Kronk.
Lyskian nickte. »Auch ich hörte von dieser Fähigkeit. In manchen Schriften wird gemutmaßt, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätten, der ihnen den Tod verwehrte. Ich weiß nicht, wie viel Wahrheit in diesen Mythen steckt, doch eines ist sicher: Die Schattenalben bergen viele Geheimnisse, die unsereins nicht durchdringen kann.«
Grim fuhr sich über die Augen. »Wenn es sie wirklich gibt — und alles hier deutet darauf hin —, dann bedeutet das, dass wir es mit einigen der mächtigsten Kreaturen zu tun haben, die diese Welt je gesehen hat. Ich kenne die Geschichten über die Grausamkeit der Schattenalben, die Sagen über ihre Gier nach Macht und das Blutvergießen, das sie über die unbeugsamen Völker der Alben gebracht haben sollen, ehe sie verbannt werden konnten. Ihre Kräfte müssen gewaltig sein.«
Lyskian nickte düster. »Nur mit vereinten Mächten konnten die übrigen Alben — heute nennt man sie Feen, Elfen, Zwerge und Dämonen — unter der Führung des Elfenherrschers Jhurmal Thronnegar einen Zauber wirken, der die Schattenalben in die Zwischenwelt verbannte. Nach meinem Wissen blieb die Macht dieses Zaubers seit der Alten Zeit im Besitz der damals herrschenden Alben, der Feen, die diese Welt inzwischen verlassen haben. Nur dieser Zauber vermag es, die Schattenalben eines Tages von ihrem Fluch zu erlösen. Bis dahin können sie die Zwischenwelt nur verlassen, wenn sie jemand zu sich ruft.«
Grim zog die Brauen zusammen. »Aber wer hat das getan? Wer wäre so wahnsinnig, Geschöpfe wie die Schattenalben in diese Welt zu holen? Und aus welchem Grund? Was ...« Er unterbrach sich. »Und wie, zur Hölle noch eins, sind die Schattenalben überhaupt hier heruntergelangt? Ich habe
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