Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Tolliver.
»Nein, das
war Joels Idee.«
»Wie kommst
du darauf?«
»Er ist der
Typ Mann, der an Blumen denkt«, sagte ich überzeugt. »Und sie ist der Typ Frau,
der das nicht tut.«
Tolliver
hielt das für Blödsinn.
»Im Ernst,
Tolliver, glaub mir«, sagte ich. »Joel ist der Typ Mann, der sich Gedanken über Frauen macht.«
»Ich mach
mir auch Gedanken über Frauen. Und zwar ständig.«
»Nein, so
habe ich das nicht gemeint.« Ich suchte nach einer besseren Formulierung. »Er
denkt nicht nur darüber nach, Frauen ins Bett zu kriegen, und damit meine ich
nicht, dass er schwul ist«, schob ich noch schnell hinterher, als mich Tolliver
ungläubig ansah. »Er denkt darüber nach, wie sie wirklich sind.« Das
traf es zwar immer noch nicht ganz, aber besser konnte ich das einfach nicht
ausdrücken. »Er macht Frauen gern eine Freude«, sagte ich, aber das war es auch
nicht.
Das Telefon
klingelte, und Tolliver ging dran. »Ja«, sagte er. »Hallo, Diane. Harper hat soeben die Blumen bekommen, sie ist begeistert.
Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Oh, er hat sie geschickt? Ah, dann
richten Sie ihm unseren Dank aus.« Tolliver schnitt eine Grimasse, und ich
grinste. Er hörte eine Weile zu. »Morgen? Oh, danke, aber wir möchten uns nicht
aufdrängen...« Tolliver schien sich sichtlich unwohl zu fühlen. »Das macht doch
viel zu viele Umstände«, sagte er als Nächstes. Seine Stimme klang übertrieben
höflich. Er hörte erneut zu. »Na gut«, sagte er widerwillig. »Wir werden da
sein.«
Er legte auf
und verzog das Gesicht. »Die Morgensterns wollen uns für morgen zum Mittagessen
einladen«, sagte er. »Die Nachbarn haben ihnen jede Menge zu essen
vorbeigebracht. Sie können das unmöglich allein schaffen und haben ein
schlechtes Gewissen, weil wir wegen ihnen in Memphis festsitzen. Es werden noch
andere Leute da sein«, versicherte er mir, als er mein Gesicht sah. »Wir werden
nicht im Mittelpunkt stehen.«
»Na prima.
Das wäre ja noch schöner! Man kann es auch übertreiben mit der Dankbarkeit.
Schließlich war es reiner Zufall. Und wir bekommen die Belohnung. Zumindest hat
Joel das gesagt. Du hättest mich fragen sollen, bevor du zusagst. Ich will da
nicht hin.«
»Aber wie du
siehst, bleibt uns nichts anderes übrig.«
»Allerdings«,
sagte ich und versuchte, nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen. Ich hatte eher
das Gefühl, dass mein Bruder Felicia Hart wiedersehen wollte.
Tolliver
nickte abrupt, um das Thema zu beenden. Ich hätte mich gern noch weiter
beklagt, aber er hatte recht. Es war sinnlos, noch länger darüber zu
diskutieren.
»Und wie
sieht's aus, wollen wir noch mal auf den Friedhof?«, fragte er.
»Ja. Wie
kalt ist es draußen?« Ich stand auf und streckte versuchshalber das Bein.
Besser.
»Es ist
kühler geworden.«
Nachdem wir
uns warm eingepackt hatten, rief ich an der Rezeption an, um unseren Wagen
vorfahren zu lassen. Ein paar Minuten später waren wir auf dem Weg zum St.-Margaret-Friedhof.
Unter der
Woche war der Abendverkehr gar nicht so schlimm. Im Pyramid lief
nichts, und auch im Ellis- Auditorium waren die Lichter
aus. Wir fuhren nach Osten durch eine heruntergekommene Gegend, durch
Einkaufsbezirke und alte Wohnviertel, bis wir die Straßen um das Bingham-
College erreichten. Die wenigen Fußgänger, denen wir begegneten, waren vermummt
wie Mumien.
So langsam
erkannte ich das ein oder andere vom Vortag wieder. Diesmal nahmen wir nicht
die große College- Auffahrt wie beim ersten Mal. Tolliver fuhr stattdessen auf
die Rückseite des Geländes. Das war durch weiße Schranken abgeriegelt, die zwar
unten, aber nicht abgeschlossen waren und sich problemlos öffnen ließen, wie
Tolliver feststellte, als er aus dem Wagen stieg, um nachzusehen.
Rick
Goldman, der Privatdetektiv, sollte Bingham lieber mal
über seine Sicherheitslücken aufklären.
Wir
passierten die geöffnete Schranke. Das Knirschen des Kieses unter unseren
Reifen klang extrem laut. Nach einem kurzen Stück erreichten wir den bewaldeten
Teil des Campus. Obwohl wir uns innerhalb der Stadtgrenzen befanden, fühlten
wir uns meilenweit weg. Während wir langsam zwischen den Bäumen hindurchfuhren,
die den alten Friedhof säumten, ließen die Scheinwerfer Äste und Stämme
aufblitzen. Nichts regte sich draußen in der Kälte. Wir erreichten die Lichtung
mit der Kirche und dem Friedhof. Auf dem kleinen Kiesparkplatz fuhren wir bis
zu dem niedrigen, verfallenen Zaun, der die Autos daran hindern sollte, auf die
Wiese
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