Heartbreaker - Chartbreaker
auf den Bonbons, was ich trotz der Größe doch ein wenig vermessen fand). Bendomolena hatte sich einen halben Zentimeter von der Treppe wegbewegt. Und ich war zu meinem Job im ScooperDooper aufgebrochen; nicht ohne genaue Anweisungen meiner Eltern, ihnen diesmal bitte einen Familienbecher Coffee Dream mitzubringen. (Sie sind die Einzigen, die von meinem Rabatt profitieren, was ich für eine grausame Ironie halte.)
Im ScooperDooper war nichts los. Es war Ende Oktober und draußen hatte es zu regnen angefangen. Jeder, der nur etwas bei Verstand war, gönnte sich an so einem Tag eine heiße Schokolade oder einen Kaffee in der Coffeebar ein Stockwerk höher. Niemand hatte Lust auf ein Misty Moroccan Mint in der Waffel. (Und unter uns gesagt, sollte man darauf an überhaupt keinem Tag Lust haben, weil es einfach widerlich schmeckt.)
»Ich hab schon die Wasserbehälter gesäubert und die Vorräte überprüft«, sagte James, als ich eintrudelte. Ich band mir erst mal die Schürze um. Er stopft sich sein Arbeitshemd immer in die Hose, was ihn für mich nicht gerade attraktiver macht.
»Dir auch einen schönen Tag«, sagte ich.
»Die Waffeln dürften nicht mehr lange reichen, deshalb
habe ich dem Geschäftsführer eine Notiz geschrieben, damit er sie am Montagmorgen nachbestellt.«
»Da bin ich aber froh.«
Er schien meinen Sarkasmus überhaupt nicht zu registrieren. »Ja«, antwortete er. »Du weißt doch, dass die Kunden ganz wild auf Eis in der Waffel sind.«
»Natürlich weiß ich das, James. Wenn ich irgendwas auf der Welt weiß, dann das.« Okay, damit würgte ich natürlich jedes Gespräch mit ihm todsicher ab.
Es ist ja nicht so, dass James ein schlechter Kerl wäre. Im Gegenteil. Er ist immer total nett zu den kleinen Kindern, wenn ihnen ihre doppelte Portion Schokoladeneis auf den Boden gefallen ist. Und wenn pünktlich um fünf Uhr das alte englische Pärchen kommt, um sich sein tägliches Eis zu holen, dann spricht er immer extralaut in ihre Hörgeräte. Es ist nur … Er ist so verschlossen und man kann mit ihm nur über die Arbeit reden. Am Anfang hab ich noch versucht, ein paar Gemeinsamkeiten zwischen uns zu finden, ich hab ihn über Filme und Bücher und solche Sachen ausgefragt, aber er hat nur gestammelt und gestottert und schließlich gesagt: »Ich glaube, wir brauchen noch mehr geröstete Pecannüsse.«
Was soll man denn damit anfangen?
Und sonst? Er ist ziemlich dürr. So auf die Pete-Doherty-Art. Und ziemlich lang. Einmal habe ich ihn in der Schule den Flur entlangrennen sehen, weil er noch rechtzeitig in sein Klassenzimmer kommen wollte, und ich dachte, seine Beine klinken sich gleich aus und rennen allein weiter, während der Rest von ihm auf dem Boden in tausend Stücke zerspringt und die Splitter dann bis zu meinem Schließfach fliegen. Irgendwie ist es auch traurig. Ich glaube nicht, dass er viele Freunde hat. Wenn ich nicht mit ihm zusammen arbeiten würde, wüsste ich wahrscheinlich gar nicht, dass es ihn gibt. Er ist so einer, dessen Foto man im Jahrbuch sieht und sich fragt: »Wer ist das denn? Nie gesehen! Geht der überhaupt auf unsere Schule?«
Aber was soll ich denn noch alles versuchen? Versteht ihr? Ich hab mich schließlich echt angestrengt, und alles, was zurückkam, war »geröstete Pecannüsse«. Nicht gerade viel, um eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen.
Wenn ich mit James in einer Schicht arbeite, versuche ich deshalb, die Aufgaben so aufzuteilen, wie es unseren Stärken entspricht. Mein Job ist es, für die richtige Musik zu sorgen. Er ist für den ganzen Rest verantwortlich. Wir dürfen im ScooperDooper das Radio laufen lassen, also stelle ich immer KUXV ein, den College-Sender, der richtig gute Musik bringt. Laut Anweisung sollen wir zwar bei dem langweiligen Schmusesender für Erwachsene bleiben, aber ich kann nicht im ScooperDooper arbeiten und auch noch Céline Dion anhören. Das kommt einfach nicht in Frage. Tut mir leid. Auch ich habe meine Grenzen.
Kaum hatte ich meine ScooperDooper-Kappe aufgesetzt, schaltete ich auf KUXV um. Ich konnte richtig spüren, wie James nervös wurde. Ein Verstoß gegen die Radiosenderregel! Aber er sagte nichts (wie immer). Bald summte ich zur Musik der Ramones vor mich hin, und die Kasse klingelte fröhlich zu »Blitzkrieg Bop«, als jemand eine Cola in Zimmertemperatur mit einem nicht abgeknickten Strohhalm verlangte. Kunden können ziemlich anspruchsvoll sein.
So arbeiteten wir die nächsten Stunden schweigsam vor uns
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