Heidenmauer
und gegenüber, zum See hin heißt es Auf dem Wall. Von der Heidenmauer Richtung Inselhalle heißt es dann Auf der Mauer.«
»Ja ja, ist schon recht, ich weiß das schon. Du meinst also, der Bamm war da unten auf der Bank gesessen und hat EmEukal gelutscht?«
»Das könnte sein. Höchst interessant finde ich, dass da zwei von diesen Papierchen lagen und ein angelutschtes Bonbon. Du musst verstehen, die Dinger sind gut, und ich liebe sie. Wenn einer so ein Bonbon auf den Weg spuckt, so ist mir das per se verdächtig. Also wenn er wirklich da unten war, dann ganz sicher nicht alleine. Weißt du, es war ja windstill und so, wie die Papierchen dalagen, sah es so aus, als ob zwei Personen auf der Bank nebeneinander gesessen hätten, ihre Bonbons ausgepackt und die Papierchen auf den Weg geschmissen haben. Einer von beiden hat das EmEukal wieder ausgespukt. Das interessante ist doch aber – es waren definitiv zwei Personen …«
»Klingt nicht unlogisch«, meinte Lydia. »Jetzt müssen wir nur noch rausbekommen, wer so ein Eukalyptusteil geschenkt bekommen hat, Sonntag, in der Nacht, da unten auf der Bank.«
Wenzel grinste. »Es ist ja so. Diese EmEukal werden etwas klebrig, wenn man sie auf Körpertemperatur bringt, zum Beispiel, wenn man sie bei sich in einer Kleidungstasche trägt. Beim Auspacken dieser klebrigen Teile packt man zwangläufig das Papier an – da finden sich mindestens Fingerspuren. Mit ein wenig Glück sogar DNS, vom angelutschten Teil ganz zu schweigen – da wissen wir bald alles von der Person, die es im Mund gehabt hat.«
Sie strahlte ihn an. »Bist ja ein richtiger Experte für Süßes, Wenzel.«
*
Conrad Schielin war auf dem Weg zur Insel, als sein Handy klingelte. Lydia war dran. Sie erzählte ihm von ihrem Besuch bei Fräulein Seidl, von der Geschichte mit dem Betreuer und von Wenzels Bonbonpapierchenszenario.
Etwas mürrisch hörte er zu und fragte schließlich: »Und deswegen rufst du mich an?«
Sie lachte meckernd. »Natürlich nicht. Ich bekam gerade einen Anruf von der Alb droben.«
»Ah. Die Familienfeier der netten, politisch engagierten Lehrerfamilie mit dunklen Abgründen.«
»Genau.«
»Und lass mich raten, der Herr politisch engagierte Lehrer hat sich irgendwann aus dem Staub gemacht, und es gibt Zeugen dafür.«
»Nein!«, kam es knapp und lauernd aus dem Mikrofon.
»Was dann?«
»Sie – sie war nicht bei der Feier.«
Schielin brauchte eine Zeit, um diese überraschende Information zu verarbeiten. »Sie war nicht mit dabei, seine Frau, unsere Hedwig Kohler?«
»Ganz genau. Das heißt, anfangs schon. Die Kollegin, die das für uns ermittelt hat, war bei einer Nachbarin und hat da ein kleines informatives Schwätzchen gehalten. Diese Nachbarin hat, das gibt es da droben auf der Alb noch, bei den Vorbereitungen für das Familienfest geholfen. Muss ein rechter Patron sein, der Vater von unserem Lehrer. Jedenfalls ist sie, also die Frau unseres Lehrerpolitikers, noch vor der Feier mit dem Auto verschwunden und ward in der Folge auch nicht mehr gesehen. Sie hat ihren Mann aber am Montag abgeholt. So fair war sie also doch. Das war natürlich so ein richtig kleiner Eklat und in so einem Dorf ein herrlicher Gesprächsstoff. Ach, ich kann mir das richtig vorstellen – schöööön. Und gerade wenn es Leute betrifft, die sonst so großen Wert auf gesellschaftlich perfektes Auftreten legen, ahh.«
»Ist das denn so?«
»Bei der Familie offensichtlich schon, wie ich von unserer Kollegin erfahren habe. Die ist selber aus der Gegend und kennt ein wenig die Hintergründe. Der Vater von Herrn Lehrer war irgendein höherer Schulbeamter, Schulrat oder so, arrogant und spießig. Seine drei Bubis apportieren heute noch artig alles, was Papi wirft, und anscheinend hat der alte Herr bei der Wahl der Schwiegertöchter ein kräftiges Wort mitgesprochen.«
»Und jetzt macht eine nicht mehr mit bei dem Spielchen – mein perfektes Haus, meine perfekten Kinder, meine fantastischen Enkel – zukünftige Ministerialbeamte …«
»Es sieht so aus.«
»Hast du sie schon erreicht?«
»Nein, wollte vorher noch mit dir reden.«
»Morgen früh soll sie kommen. Wenn sie eine Nacht darüber schlafen kann, ist das besser so. Was meinst du?«
»Gut, dann werde ich sie vorladen.«
*
Robert Funk atmete durch die Nase und blieb hinter der klapprigen Holztür stehen. Die letzte Stunde hatte er damit verbracht, im Computersystem zu recherchieren. Was hatte er nicht alles an Suchbegriffen
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