Herzensbrecher auf vier Pfoten
Position auf der To-do-Liste. Sie erlebte einen plötzlichen, erschreckenden Anfall von Sehnsucht danach, Johnnys und ihr Baby in den Armen zu halten. Ein Kind war das Einzige, was ihnen noch zu ihrem Glück fehlte – davon war Natalie fest überzeugt. Sie verspürte diesen Wunsch derart stark, dass sie es fast als beschämend empfand, wie leidend sie klang.
Nach einem Baby hatte sie sich jedoch nicht immer gesehnt. Bis zu ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag wäre sie wahrscheinlich vollkommen ausgeflippt, wenn der Schwangerschaftstest positiv gewesen wäre. Irgendwann war jedoch unbemerkt eine mit einem Timecode versehene Safetür aufgesprungen: Durch diese Tür war die Sehnsucht nach einem Baby herausgeströmt, deren Irrationalität Natalie den Bodenunter den Füßen weggezogen hatte. Jedes Mal, wenn sie auch nur einen Starbucks betrat, blieb ihr beim Anblick von Buggys und winzigen Füßen in winzigen Söckchen das Herz stehen. Wenn die Babys Johnny anlächelten – was sie andauernd taten; irgendwie besaß er das Talent, sie zu entzücken –, kochten in Natalie der eigene Babywunsch, die Angst und die Enttäuschung darüber hoch, dass jene Frauen etwas geschafft hatten, wozu sie nicht in der Lage zu sein schien. Wozu sie vielleicht nicht fähig wäre.
Jetzt beruhige dich erst einmal, ermahnte sie sich streng. Erinnere dich an all die fantastischen Dinge, für die du wirklich dankbar sein kannst: Du hast ein schönes Auto, ein wunderbares Zuhause, deine Unabhängigkeit, Urlaube, acht Stunden Schlaf jede Nacht.
Natalie passierte die ersten Häuser ihrer Straße. In jeder Einfahrt stand entweder eine Zafira-Familienkutsche oder ein Honda CR-V. Gelbe »Baby an Bord«-Aufkleber leuchteten selbstgefällig in ihrem Scheinwerferlicht auf und versetzten Natalie einen weiteren Stich. Sie erinnerte sich an die Worte ihres Vater bei ihrer Hochzeit vor sieben Jahren: Sie und Johnny würden eine glückliche Familie werden. Sie beide liebten Kinder von ganzem Herzen und hatten fünf Patenkinder; derzeit schienen wirklich alle Babys zu bekommen – alle außer ihnen.
Natalie fuhr die Einfahrt hinauf und schaltete den Motor ab. Hätte sie nicht Johnny an ihrer Seite, wäre alles eine Million Mal schlimmer. Von Beginn an war er verständnisvoll gewesen, so optimistisch und entspannt. Zunächst jedenfalls – denn wer hätte sich schon darüber beschwert, alle sechsunddreißig Stunden ins Schlafzimmer gezerrt zu werden? Doch auch in letzter Zeit, seit sie sich immer mehr verspannte, wenn sie einen »grünen Tag« wegen eines Familienbesuchs oder einer Grippe verpassten, hatte er seinen Sinn für Humor nicht verloren. Wenn Johnny nicht wäre, dachte Natalie,könnte man den Eindruck haben, der ganze Akt sei so romantisch wie ein Tierfilm über Paarungsrituale.
Sie hatten es mit Kurzurlauben und verschiedenen Yogapositionen versucht. Natalie hatte sich zur Akupunktur angemeldet und Johnnys alte Lieblingsunterhosen weggeworfen. Und dennoch tat sich nichts. Jeden Monat, wenn ihre Körpertemperatur ein wenig sank und sie zwangsläufig ihre Periode bekam, erwartete sie morgens bei der Arbeit ein Blumenstrauß auf ihrem Schreibtisch oder abends ein leckeres Abendessen von Johnny. Besorgt musterte er dann ihre niedergeschlagene Miene, wenn er dachte, sie würde es nicht bemerken. Natalie würde dann wieder so tun müssen, als ob es ihr nichts ausmache, weil sie keinesfalls wollte, dass er die Schuld dafür bei ihnen oder gar bei sich selbst suchte.
Seit mehr als einem Jahr versuchte sie, schwanger zu werden. Der nächste Schritt wären weitere Tests und Untersuchungen. Für den Fall, dass doch einer von ihnen schuld sein sollte. Und so weit wollte Natalie es definitiv nicht kommen lassen.
Was aber, wenn es an ihr lag? Was, wenn sie ihm die durchschnittlichen zwei Komma vier Kinder nicht schenken konnte? Wie wäre es dann um ihre Ehe bestellt, die jeder als so perfekt betrachtete?
Natalie stieg aus dem Wagen und holte ihre Aktentasche und den Laptop aus dem Kofferraum.
Im Haus, wo es frisch, sauber und nach Hyazinthen duftete, holte sie eine rosafarbene Tüte aus der Aktentasche und ging nach oben, um dort ihren Anzug gegen eine weite Yogahose einzutauschen. Nachdem sie sich das Haar zu einem Pferdeschwanz gekämmt hatte, zögerte sie kurz, bevor sie das neue Seidennegligé aus der Tüte holte und es für später unter ihr Kopfkissen schob. Bis zu dem Zeitpunkt, seit dem der Sex nicht mehr dem Vergnügen diente, sondern der
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