Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
keinerlei Anstalten, mir zu helfen, sondern scheint sich prächtig zu amüsieren.
Ich hasse den Mann.
»Sie könnten mir ruhig helfen«, fauche ich, als ich schließlich mit dem Bauch zuerst auf der Dancing Girl lande und über den Boden schlittere.
»Wieso denn?«, erwidert Guy und balanciert mit sicheren Schritten wie ein Seiltänzer auf dem Bootsrand. »Sie schaffen das doch allein. Oder haben Sie keine Beine? Nee, dachte ich mir. Ist ja nicht mein Problem, wenn Sie alberne Klamotten anhaben, oder?«
Er springt über die vertäuten Boote hinweg und klettert am Kai behände eine Leiter hoch.
»Hübscher Arsch«, schnauft Mads, den Blick auf das in Jeans gehüllte Hinterteil des Mannes geheftet.
»Totaler Arsch, würde ich eher sagen«, äußere ich und schaue wütend auf Guys Kehrseite. »Wenn du das nächste Mal wieder so eine tolle Idee hast, sag es mir bitte rechtzeitig. Dann nehme ich mir was weniger Anstrengendes vor, eine Operation am offenen Herzen ohne Narkose zum Beispiel.«
»Nun sei doch nicht so.« Mads wischt mir Algen und Möwenkacke von den Kleidern, während ich eine beleidigte Schnute ziehe. »Du musst doch zugeben, dass der Mann scharf aussieht.«
Ich schirme die Augen gegen die Sonne ab. Guy steht breitbeinig am Kai und hebt gerade Zwickis Kiste hoch. Seine Oberarmmuskeln schwellen an. Mit den dunklen Haaren, die so kurz geschnitten sind, dass sie wie Maulwurfsfell wirken, der sonnenbraunen Haut und den blendend weißen Zähnen sieht er dem blutjungen George Clooney zum Verwechseln ähnlich.
Leider hat er eher die Manieren von George Clooneys Hausschwein.
»Okay«, räume ich ein, »ich verstehe, was du meinst, aber ein romantischer Held ist er auf keinen Fall.«
»Ich wollte mich ja nur nützlich machen«, sagt Mads gekränkt. »Dich von James ablenken und dir helfen, damit du deinen Roman schreiben kannst.«
»Ich weiß, aber du könntest ein bisschen dezenter vorgehen.«
»Was zum Teufel soll das sein?« Guy hält mir Zwicki unter die Nase.
»Ein Hummer«, antworte ich ruhig. »Solche Tiere leben im Meer.«
»Dass das ein Hummer ist, seh ich selbst«, erwidert Guy. »Aber ich würd gern wissen, weshalb ich mit dem aufs Meer rausfahren soll. Wenn ich mal erklären darf, was ein Fischer macht: Ich hole Zeug aus dem Meer und verkaufe es. Leicht zu kapieren, würd ich meinen.«
»Wir schenken ihm die Freiheit«, teile ich Guy mit. Zwicki macht einen etwas nervösen Eindruck, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass Guy vermutlich zahllose Verwandte von Zwicki massakriert hat und im Hummerfernsehen bestimmt ein gesuchter Schwerverbrecher ist. »Er ist ein geretteter Hummer.«
»Den wollen Sie ins Meer werfen?«, fragt Guy ungläubig. »Das ist doch ein Prachtkerl. Ich erspar uns das ganze Theater und geb Ihnen einen Zehner dafür. Den kann ich auf dem Fischmarkt für das Zehnfache verkaufen.«
»Kommt nicht infrage!«, rufe ich aus. »Ich werde doch jetzt nicht aufgeben. Wenn Sie wüssten, für wie viel Stress dieser Hummer schon gesorgt hat, würden Sie das nicht vorschlagen. Schippern Sie uns aufs Meer raus, Mann!«
»Verfluchte Touristen«, bemerkt Guy, aber seine Augen glitzern, vermutlich aus Vorfreude beim Gedanken daran, was wir für die Fahrt blechen müssen und was für ein Brüller diese Story im Pub sein wird. »Na ja, ist Ihr Geld.«
»Ist es«, murmle ich vor mich hin. Ich weiß nicht genau, wofür ich so heftig zur Kasse gebeten werde, aber es muss irgendwas Furchtbares gewesen sein. Ich glaube kaum, dass ich je eine Rückführung in frühere Leben machen möchte. Wahrscheinlich würde ich etwas Entsetzliches herausfinden. Na ja. Mein gegenwärtiges Leben ist auch nicht gerade der Hit.
Die Tabletten scheinen tatsächlich zu wirken, denn als wir in See stechen und die Landzunge umrunden, stelle ich fest, dass ich das sanfte Wippen des Bootes, das auf den Wellen tanzt, eigentlich angenehm finde. Das Wasser glitzert in der Sonne, und ich lege den Kopf in den Nacken und genieße die Wärme auf meinen Wangen. Das Kielwasser sieht aus wie weiße Spitze, Tregowan verschwindet in der Ferne und sieht mehr denn je wie ein Spielzeugdorf aus. Auf den Klippen wandern streichholzgroße Figuren entlang, andere sitzen da und bewundern die Aussicht. Eine winkt uns zu, und ich winke zurück. Dann umrunden wir erneut eine Landzunge und lassen die Klippen hinter uns.
Plötzlich ist mir ein bisschen hoffungsvoller zumute.
Mads sitzt am Heck, umklammert mit einer Hand die
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