Heute morgen und fuer immer - Roman
ließ meine mir selbst auferlegte Distanz sofort dahinschmelzen.
»Für mich ist es auch nicht so leicht, wie es scheinen mag. Wie geht's dir denn? Wie läuft es mit Jutta?«, fragte ich leise. Zwar stand Jutta weit genug weg, aber wer wusste, ob sie nicht ein Richtmikrofon in der Handtasche trug. Zuzutrauen war ihr einiges ...
Valentin zuckte mit den Achseln.
»Schwierig zu sagen. Sie ist mir in den letzten Jahren schon sehr fremd geworden, ich versuche jetzt, wieder Anknüpfungspunkte an damals zu finden, als ich mich verliebt habe. Trotzdem verstehe ich immer noch nicht, woher ihr plötzlicher Sinneswandel kommt. Die Schauspielerei will sie ja nicht aufgeben, und sie drängt mich die ganze Zeit, die Zelte hier abzubrechen und nach Berlin zu gehen.«
Das klang wirklich nach einer schwer verliebten Beziehung! »Ist Nele wenigstens glücklich?«
Valentin überlegte einen Moment lang.
»Ja, einfach weil sie Jutta wieder um sich hat, aber sie merkt auch, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können und dass nicht alles glücklich verläuft. Sie spricht übrigens sehr viel von dir, und ich glaube, sie vermisst es, mit dir zum Reiten und in den Zoo zu gehen.«
Mir ging es ebenso, meine Ausflüge mit Nele waren jedes Mal ein besonderes Highlight, ich hatte sie so sehr in mein Herz geschlossen, dass ich auch Valentin nicht böse sein konnte, dass er es ihretwegen noch mal mit Jutta versuchte.
Mit einem Mal schien es, als ob Valentin sich wieder bewusst wurde, dass es »uns« nicht gab und auch nicht geben würde. Ich konnte förmlich zusehen, wie er sein Visier wieder runterklappte. Nüchtern und sehr pragmatisch schickte er hinterher: »Wenn ich es mal vernünftig sehe, ist das schon eine gute Lösung mit Jutta. Zwei Fliegen mit einer Klappe kann ich schlagen. Nele glücklich machen und Jasper nicht verletzen. Und ich kann mich mit Jutta arrangieren.«
Das klang so abgeklärt und kühl, dass es mich kurz schauderte. »Aber was ist mit dir? Willst du nicht eine Frau, die du liebst?«
Zu Recht sah mich Valentin an, als ob ich sie nicht mehr alle hätte. Wie konnte ich ihm nur diese Frage stellen ... Aber dann zuckte er mit den Schultern. »Liebe ... ach, das wird heutzutage überbewertet. Früher hielten die Ehen viel länger, weil sie nicht auf überzogenen Erwartungen gegründet wurden. Immerhin sieht Jutta gut aus, und Nele liebt sie. Alles ist besser so.«
»Ja, es ist besser so!«, sagte ich und nickte Valentin mit einem Lächeln kurz zu, um dann schleunigst das Weite zu suchen, bevor man mir noch ansehen konnte, dass ich immer noch Gefühle für ihn hegte. Jutta sah mir misstrauisch hinterher und stürmte gleich zu Valentin, bestimmt, um ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Helene hatte mich beobachtet und streckte mir ein neues Glas Champagner hin.
»Das geht vorbei, alles wird gut!«
Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich ließ den Blick über die kleine Feier schweifen, bislang war ich noch nicht dazu gekommen, mich zu entspannen, und genoss es einfach, dem Treiben zuzusehen. Meine Gäste feierten ausgelassen, sogar Frau Seliger war völlig aufgedreht und himmelte mit roten Backfischbäckchen einen gut aussehenden Mann an, der neben ihr stand und sich mit Omi unterhielt. Wieso waren Menschen auf meiner Überraschungsparty, die ich nicht kannte? Ich stieß Helene in die Seite.
»Wer ist denn der Typ neben Frau Seliger?«
Helene sah mich verwundert an.
»Wie, hat Omi dir nie davon erzählt? Das ist Frau Seligers Freund!«
Mir blieb die Spucke weg! Das Wort mismatch erhielt ganz neue Dimensionen.
»Wie meinst du Freund? Schulfreund, bester Freund, ein Freund?« Meine Kinnlade musste ziemlich tief herunterhängen vor lauter Staunen.
»Nein, ihr Freund, Lebenspartner, Geliebter!«
Bei »Geliebter« fielen mir fast die Ohren ab. Das war ungefähr so, als ob Angela Merkel plötzlich Orlando Bloom daten würde.
»Wir alle haben ihn heute zum ersten Mal gesehen, und ja, ich hab auch so ungläubig geglotzt wie du und mich vergewissert, dass er nicht von einem Escort Service ist. Davor hat sie immer nur von ihm gesprochen, wie toll er aussieht und was er alles kann! Natürlich haben wir an eine ganz andere Kategorie gedacht, da siehst du mal, wie oberflächlich wir sind!«
Ja, ja, die inneren Werte! Aber seit wann fanden Männer Frauen, die aussahen, als ob sie sich stylingtechnisch bei der Bahnhofsmission beraten ließen, sexy, weil sie ihre innere Schönheit sahen? Bislang kannte ich das, wenn überhaupt, aus
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