Hexenjagd
willst doch nicht etwa wegen der Ahrent gehen?“, fragte Verena ungläubig. „Diese blöde Kuh ist es doch nicht einmal wert, dass man auch nur einen Gedanken an sie verschwendet“, ereiferte sie sich. „Also, wegen der brauchst du wirklich nicht zu kündigen!“
„Es ist nicht ihretwegen“, erwiderte Celiska ruhig. „Es ist wegen … wegen … Ach, was soll’s! Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich wirklich weiter im Betrieb bleiben sollte. Es ist zwar noch nichts passiert, aber es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern. Nils … ich meine, der Junior … Verdammt!“ Da sie der Freundin nicht in die Augen sehen mochte, begann sie in ihrer Handtasche zu kramen, um am Ende ein Taschentuch hervorzuziehen. „Wahrscheinlich werde ich … ich kann ihn nicht mehr lange vertrösten. Er ist ja auch nur ein Mann“, murmelte sie kaum hörbar, während sie so tat, als müsse sie sich schnäuzen.
„Spinnst du?“, fuhr Verena empört auf. „Du willst doch nicht etwa in sein Bett hüpfen, nur weil er keine Geduld mehr hat? Glaubst du denn allen Ernstes, ihn damit halten zu können? Ich meine, das …“ Sie betrachtete die Freundin prüfend. „Liebst du ihn denn?“
„Ich …“ Celiska schluckte schwer. „Er ist sehr lieb und aufmerksam. Und ich habe ihn wirklich gern. Es ist doch ganz normal, weißt du. Man geht zusammen aus, kommt gut miteinander zurecht und irgendwann …“ Sie stockte, weil ihr selbst aufging, wie unglaubwürdig und lahm ihre Erklärung klang.
„Liebst du ihn?“, bohrte Verena gnadenlos weiter. „Ich meine, liebst du ihn wirklich? Oder hast du ihn einfach nur gern, wie einen guten Freund oder so?“
Celiska bedachte die Frage sehr gründlich. Ja, sie liebte Nils tatsächlich, stellte sie am Ende für sich fest. Sie liebte ihn, eben weil er so rücksichtsvoll und einfühlsam war. Sie liebte ihn, weil er sie nicht bedrängte, auch wenn seine Ungeduld offensichtlich war. Und sie liebte ihn, weil er ihre Gefühlswelt nicht auf den Kopf stellte, so wie es ein anderer Mann tat!
„Ja“, beantwortete sie nun die Frage der Freundin, „ich liebe ihn wirklich. Bei ihm fühle ich mich sicher und geborgen. Wenn wir zusammen sind, scheint alles so leicht und selbstverständlich zu sein. Er gibt mir Halt und Sicherheit.“
Verena sah sie forschend an, sagte jedoch nichts dazu. Aber im Stillen fragte sie sich voller Unbehagen, warum Celiska den Begriff Sicherheit so oft und vor allem so verzweifelt gebrauchte. Wovor hatte sie solche Angst? Und Angst hatte die Kleine, das war nicht zu übersehen. Auch wenn sie es durch ein Lächeln und selbstbewusstes Verhalten zu kaschieren vermochte. Sobald sie sich nämlich unbeobachtet fühlte, schlang Celiska die Arme um ihren Oberkörper, als suche sie sich vor irgendetwas zu schützen, und betrachtete dabei ihre Umgebung mit großen Augen voller Furcht.
„Wir sollten zurückgehen“, unterbrach sie schließlich die Stille, die sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. „Die Mittagspause ist gleich zu Ende.“
Celiska nickte bloß, langte nach ihrer Handtasche und stand auf. Den Kaffee hatten sie gleich bezahlt, als er serviert worden war, daher brauchten sie sich nicht länger aufzuhalten. Also verließen sie den Biergarten und steuerten wieder ihre Arbeitsstätte an.
„Überstürze nichts“, murmelte Verena, während sie sich dem Schritt der Freundin anpasste. „Alles braucht seine Zeit. Wenn er dir diese Zeit nicht zugesteht, ist er deine Liebe nicht wert.“ War es tatsächlich so einfach, schoss es indes durch Celiskas Kopf. Konnte man wahre Gefühle wirklich an der Geduld des anderen erkennen? Nein, entschied sie. So banal konnte es gar nicht sein.
*
„Frau Falquardt! Kommen Sie doch bitte mal in mein Büro.“
Celiska sah verwirrt von ihrem Bildschirm hoch, erhaschte einen Blick in das wütende Gesicht des Seniorchefs, kurz bevor er die Tür ihres Schreibzimmers wieder schloss, und stand hastig auf. Bereits an der Tür angelangt, machte sie jedoch noch einmal kehrt, hastete zu ihrem Schreibtisch zurück und speicherte die begonnene Arbeit auf eine Extradiskette, die sie anschließend in einer der Schubladen ihres Schreibtisches verschwinden ließ. Vertrauen war gut, dachte sie dabei, aber Kontrolle war besser! Irgendwie schien ihr der Computer ihre Abwesenheit übel zu nehmen. Sobald sie längere Zeit nicht an ihrem Schreibtisch saß, „verabschiedete“ sich das Arbeitsprogramm samt allen Dokumenten, die sich im Arbeitsspeicher
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