Hexentraum
hatte... doch diesmal war sie so laut, dass Veronica auch das Timbre hören konnte. Es war eine Frauenstimme.
»Wer bist du?«, flüsterte sie. »Engel oder Dämonin?«
Ich bin Isabeau.
»Isabeau?« Sie kostete den Namen auf der Zunge. Er kam ihr vertraut vor, obgleich sie sich nicht erinnern konnte, ihn je zuvor gehört zu haben. »Aber... wer bist du?«
Ehe die Stimme antworten konnte, ging die Tür am Kopf der Treppe auf. Schritte so laut wie Donner hallten zu ihr herab.
Auf dem Boden lag ein Haufen Lumpen - vielleicht könnte sie sich darunter verstecken. Doch noch ehe sie einen Schritt darauf zu getan hatte, dröhnte eine Stimme: »Halt!«
Sie drehte sich um, und ihr sträubten sich die Haare im Nacken. Ein Paar glimmende Augen ließ sie erstarren. Der Feuerschein der Lampe schimmerte auf seinem Haar, und sein Gesicht war zu einer dämonischen Fratze verzerrt.
Und doch war irgendetwas an diesem dunklen Mann mit den harten Gesichtszügen merkwürdig anziehend ...
»Na so etwas. Da habe ich doch tatsächlich eine Cahors-Hexe gefangen«, sagte er. »Eine von zweien, die noch übrig sind, wenn mich nicht alles täuscht. Und der Vater der beiden natürlich.«
»S-sie irren sich, Sir«, stammelte sie. »Ich heiße Veronica Cathers, und ich bin ganz sicher keine Hexe. Und ... und mein Va... auch sonst niemand, den ich kenne.«
Einen Moment lang huschte ein Anflug von Zweifel über sein Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf. »Dein Name bedeutet mir gar nichts. Mir geht es darum, wer du bist, nicht, wie du dich nennst. Und, meine Liebe, du bist eine Hexe.«
»Ich bin keine Hexe«, rief sie aus und wich vor ihm zurück. Ich bin eine Witwe, schrie sie in Gedanken. Eine Witwe. Oh Gott, meine Familie ist tot! Mein Liebster...
Mein Liebster...
Jean...
Der unheimliche Mann lächelte und hob die rechte Hand. Eine Kugel aus Feuer flackerte darin, und er warf sie locker in ihre Richtung. Veronica öffnete den Mund, um zu schreien, doch stattdessen kamen Worte heraus, die in ihren Ohren fremdartig klangen, und der Feuerball zischelte und löste sich mitten in der Luft einfach auf.
Sie war so verblüfft, dass ihre Knie nachgaben. Sie hielt sich an einem alten Stuhl fest und keuchte vor Entsetzen. Kalter Schweiß brach auf ihrer Stirn aus, und ihr war schrecklich heiß, obwohl sie nur ihr Nachtgewand und den Frisiermantel trug.
Der Mann kicherte grausam. »Siehst du? Eine Hexe.«
Ihre Gedanken rasten. Sie wich noch weiter zurück. »Gehen Sie weg. Bitte.«
Er lächelte. »Um nichts auf der Welt, meine Liebe. Gestatte mir, dass ich mich vorstelle. Ich bin Marc Deveraux aus dem Hause Deveraux, ein Hexer und dein Erzfeind.«
»Mein... Feind?«, fragte sie verwirrt.
Hatte er etwas damit zu tun, dass Charles ertrunken war? Hat er ihn getötet... ist er... ein Mörder...?
Non, er ist Jean, mein Geliebter, mein Feind, mein Gemahl, wisperte die Stimme. Jean kommt durch ihn zu mir. Du wirst hierbleiben. Du wirst ihm erlauben, dich zu berühren, dich zu küssen, dich zu liebkosen.
Und dann ... wirst du ihn töten.
Für mich.
Marc Deveraux neigte den Kopf zur Seite, und ein verträumter Ausdruck trat in seine Augen, als hörte auch er irgendeine Stimme. »Isabeau«, flüsterte er.
»Jean«, antwortete sie.
Seine Miene wurde weich. Er streckte die Hand aus. »Meine Liebste. Mon amour, ma femme, tu es ici, chez moi...«
»Oui, ich bin hier ... je suis là, mon homme, mon seigneur...«
Sie bewegte sich wie im Traum auf ihn zu. Ihre Hände hoben sich ihm entgegen.
»Nein«, flüsterte sie. Und dann, entschiedener: »Nein!«
Der Schrei zerriss die Luft, und Marcs Gesicht war wieder unverkennbar seines. »Dann stirb!«, brüllte er. .
Er hob die Hand, und diesmal schleuderte er den Feuerball mit ganzer Kraft. Sie schrie auf und duckte sich zur Seite. Die Flammenkugel landete in dem Haufen Lumpen, unter dem sie sich hatte verstecken wollen. Binnen weniger Augenblicke brannten sie lichterloh.
Tief aus Veronicas Gedächtnis stieg eine vage Erinnerung empor, in den Nebel ihrer frühen Kindheit gehüllt. Es war die Erinnerung an eine schöne Frau mit wallendem Haar, die in einer fremden Sprache vor sich hinmurmelte. Veronica öffnete den Mund, und die gleichen Worte sprudelten aus ihr hervor, während die Erinnerung lebhafter wurde. Ein Feuerball erschien vor ihr in der Luft, und sie stieß ihn mit ihrem ganzen Willen vorwärts.
Marc sprang zur Seite, doch das brennende Geschoss streifte den Ärmel seines Jacketts, und
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