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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und die Zwillinge zogen ihn ein Stück am Fuß der Burgeinfriedung entlang, dann geradewegs auf eines der Wachfeuer zu. Simon protestierte nicht und stellte keine Fragen, vertraute sich ihnen einfach an wie ungezählte Male in der Vergangenheit. Und auch dieses Mal zu Recht: Godric und Wulfric hatten einen Weg durch den Ring der Wachfeuer gefunden. Eines brannte gleich neben der Trebuchet, um die kostbare Belagerungsmaschine vor nächtlichen Angriffen zu schützen. Das hieß jedoch auch, dass die Flammen das ausladende Holzkonstrukt beleuchteten, nicht die umliegende Wiese, sodass man sich auf der dem Feuer abgewandten Seite wunderbar an der Trebuchet vorbeischleichen konnte.
    Erst als sie wieder zu dem verlassenen Bauernhof kamen, brach Simon das Schweigen. »Woher wusstet ihr, wann ich kommen würde?«
    »Wir haben uns gefragt, was wir an deiner Stelle täten«, gab Wulfric achselzuckend zurück. »Die Ostseite schien die besten Chancen für einen unbemerkten Abgang zu bieten, die Wachablösung oder wenig später der günstigste Zeitpunkt.«
    Simon nickte dankbar. »Gut gemacht. Habt ihr irgendwas zu essen?«
    Godric öffnete seinen Beutel und förderte ein Stück altbackenes dunkles Brot zutage. Simon verschlang es mit wenigen Bissen. Verglichen mit Kleiebrot war es eine Gaumenfreude.
    »Und was jetzt?«, fragte Wulfric. »Zurück über den Kanal, Henry berichten?«
    Simon schüttelte den Kopf. »Wallingford ist beinah ausgehungert. Wir müssen ihnen helfen, sonst fällt die Burg, ehe Henry hier ist.«
    »Und wie stellst du dir das vor?«, wollte Godric wissen.
    Simon erklärte es ihnen.
    Die Zwillinge lauschten aufmerksam, und als er geendet hatte, nickten sie.
    »Könnte klappen«, befand Godric.
    »Ich hoffe nur, unsere Hilfe kommt nicht zu spät«, warf sein Bruder ein.
    »Wieso?«, fragte Simon.
    »Gestern sind über fünfzig neue Soldaten zu den königlichen Truppen gestoßen.« Wulfric wies in die Richtung, wo auf der anderen Flussseite die Festung der Belagerungstruppen lag. »Ausgeruht, wohlgenährt, gut bewaffnet und kampfeswütig. König Stephen scheint es satt zu sein, auf den Fall von Wallingford zu warten.«
    Simon fluchte leise und dachte einen Moment nach. »Nun, das ändert im Grunde nichts«, sagte er dann. Er sprach überzeugter, als er sich fühlte. »Wenn Stephen den Druck verstärkt, ist es umso wichtiger, dass die Eingeschlossenen bei Kräften bleiben.«
    Godric wollte noch etwas einwenden, aber Wulfric hielt ihn mit einer winzigen Geste zurück. Beides blieb Simon nicht verborgen. Doch er war zu müde, um sich weitere Bedenken anzuhören, und darum fragte er nicht, was es war, das Godric so beunruhigte.
    Hugo de Bec, der Abt des Klosters zu Abingdon, war ein äußerst frommer und gelehrter Mann, aber alles andere als weltfremd. Simon hatte kaum begonnen, ihm seine Bitte vorzutragen, da schickte Vater Hugo nach dem Bruder Cellarius, da dieser am besten wisse, was eine Burgbesatzung von drei Dutzend Menschen benötige, um über den Winter zu kommen, und wie man es beschaffen könne. Trotz der Hilfsbereitschaft der Mönche und des Geldes, das Simon bezahlen konnte, war es nicht einfach, die nötigen Mengen an Lebensmitteln zu beschaffen, eine ausreichend große Zahl an Ledersäcken herzustellen und all das unbemerkt nach Wallingford zu schaffen. Aber Simon, die Zwillinge, der Cellarius, Bruder Mark und Bruder Cynewulf schufteten von früh bis spät, kauften auf Märkten und bei Bauern im ganzen Umland ein, und jede Nacht fuhren sie mit einem kleinen Kahn nach Wallingford und versteckten ihre Tagesausbeute unter dem Stroh in der Scheune des verlassenen Gehöfts.
    Nach einer Woche beschloss Simon, in die belagerte Burg zurückzukehren und mit den nächtlichen Lieferungen der Vorräte zu beginnen.
    Als er zum zweiten Mal in den engen, finsteren Tunnel tauchte, war sein Entsetzen nicht geringer als beim Mal zuvor. Gewiss, er wusste jetzt, dass die Aufgabe zu meistern war, dass die Luft reichte – wenn auch nur knapp – und die enge Röhre keine Sackgasse war, an deren Ende der Schwimmer elend ertrinken musste. Doch war es ja nie der Tunnel selbst gewesen, vor dem er sich gefürchtet hatte, sondern wie eh und je nur seine eigene Fallsucht. Sie verschonte ihn indes auch dieses Mal, und als er keuchend und triefend die Falltür aufstieß und in Miles Beaumonts’ bleiches, grinsendes Gesicht sah, dachte er: So, jetzt schick mir einen Anfall, wenn du unbedingt willst. Jetzt ist es gleich …
    Aber

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