Historical Exklusiv Band 06
Trost bei ihm suchte."
Unter ihrer Strohschute, die mit aprikosenfarbenen Bändern verziert war, wurde Abigail dunkelrot.
"Ich habe jetzt verstanden, was du mir an Bord der Phoenix sagen wolltest. Eine Frau, die ihren Gemahl liebt, kann Freude an … nun ja, an allem finden."
Sarah hatte nach so vielen Monaten mit James einiges über die Ehe dazugelernt.
"Vielleicht habe ich damals manches nicht ganz richtig gesehen", meinte sie nur. "Es ist nicht nötig, dass eine Frau sich dem Mann in jeder Hinsicht fügt. Zuweilen kann es ganz sinnvoll sein, ihm energisch die Meinung zu sagen."
Abigail sah sie erschrocken an, dann lachte sie auf. "Du machst dich über mich lustig, nicht wahr? Als wenn eine von uns etwas so Ungezogenes tun würde. Ach, ich habe dich so sehr vermisst!"
Klugerweise entschied Sarah, ihrer Schwester nicht zu sagen, welch ungezogene Dinge sie in den vergangenen Monaten noch getan hatte. Sie drückte Abigails Arm. "Und ich habe dich vermisst, Kleines."
Die Schwestern gingen weiter, während der Wind mit dem Saum ihrer Kleider spielte.
"Wirst du wirklich so weit im Norden leben müssen?" fragte Abigail traurig. "Ich möchte dich nicht schon wieder verlieren."
" Kerrick's Keep liegt gar nicht sehr weit im Norden. James sagt, es sind nur sechs Tagesreisen." Sarah hielt ihr Gesicht in den Wind. "Oder drei Tage mit dem Schiff, bei so einem Wind, würde ich sagen."
"Wirst du mit dem Kapitän denn nach Norden segeln?"
Sarah sah Abigail an und lächelte. "Er ist dein Schwager, Süße. Könntest du es nicht vielleicht über dich bringen, ihn bei seinem Namen zu nennen?"
"Nein, niemals! Für mich wird er immer der Kapitän sein, genau wie für Liam auch. Ich denke, er wird es nicht erwarten können, die Phoenix zurückzuholen und in sein Schloss am Meer zu fahren."
Sarahs Lächeln verschwand. "Es ist kein Schloss. Es ist ein steinerner Bergfried, der vor ein paar hundert Jahren von einem Raubritter erbaut wurde. James sagt, es sei alles sehr verfallen. Er beabsichtigt, die Phoenix zu verkaufen und das Geld zu verwenden, um es wiederaufzubauen."
"Das klingt nicht eben sehr komfortabel. Bist du wirklich sicher, dass du dort leben möchtest?"
Sarah runzelte die Stirn. Sie ging langsamer und blieb dann stehen. Abigail sah sie an.
"Es tut mir Leid! Ich hätte nichts Schlechtes über Kerrick's Keep sagen sollen. Verzeih mir bitte."
Sarah starrte Abigail schweigend an. Ein furchtsamer Ausdruck erschien in den großen blauen Augen der jüngeren Frau.
"Wirklich, ich wollte das Zuhause des Kapitäns nicht schlecht machen. Es ist doch nur natürlich, dass er es wiederaufbauen und dort mit dir leben möchte."
"Das glaubt er", erwiderte Sarah voller Schmerz. "Das heißt, er behauptet es jedenfalls."
Eine Böe erfasste ihre Hutbänder. Abigail schob die flatternden Bänder beiseite und starrte ihre Schwester verwirrt an.
"Was meinst du damit?"
"James will überhaupt nicht auf Kerrick's Keep leben", meinte Sarah langsam. "Nicht wirklich. Er will die See nur verlassen und an Land leben, um für mich – für uns alle – ein Heim zu schaffen."
Mit ungewohnt erwachsener Geste ergriff Abigail die Hände der Schwester.
"Ich habe jetzt ein Zuhause", erinnerte sie Sarah leise. "Und die Jungen sind bei uns willkommen, wann immer sie kommen wollen. Du musst dir von nun an um uns keine Sorgen mehr machen. Wir haben alles, was wir brauchen. Deine erste Sorge sollte jetzt deinem Gemahl gelten. Du musst ein Zuhause finden, das zu ihm passt – und zu dir."
Sarah starrte sie eine Weile an, dann nickte sie langsam. "Ja, das muss ich wohl."
Abigail schob ihren Arm unter den der Schwester und führte sie beide zum Pfad zurück. Ihre Gespräche wandten sich von familiären Dingen den Holunderbäumen zu, die sie an der Gartenmauer gepflanzt hatte, und dann den Kätzchen, die die Nachbarskatze gerade geboren hatte.
"Liam hat eines für mich ausgesucht. Sein Fell ist ganz weiß und gold, und es hat eine allerliebste kleine rosa Nase. Liam sagt, das Kätzchen erinnerte ihn an mich, obwohl ich hoffe, dass meine Nase nicht so eine Farbe hat."
Sarah hörte die melodische Stimme ihrer Schwester kaum, während sie weiter von häuslichen Dingen plauderte. Sie dachte an das Heim, das am besten zu James Kerrick passen würde.
Wieder und wieder wanderte ihr Blick zu den Schaumkronen auf den Wellen des Ärmelkanals zurück.
Den Rest des Vormittags verbrachte Sarah in der Gesellschaft ihrer Familie. Sie erfuhr alles über die
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