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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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Schule?«
    »Das wüsste ich!«
    »Sie ist ein sehr hübsches Mädchen.«
    »Sie ist mein Mädchen. Das wüsste ich!«
    Delaney bemerkte die Wut, die mit einer fast religiösen Leidenschaft in den Augen des Mannes funkelte. Er beobachtete dessen Körpersprache und erwiderte Morgans trotzige Reaktion mit einem Blick, in dem ebenso viel zurückgehaltener Zorn und noch mehr steckte.
    »Dennoch wussten Sie neunzehn Stunden lang nicht, dass sie verschwunden war, stimmt’s?«
    Verwundert über die Aggression in seiner Stimme, zuckte Sally zusammen, als Delaney auf Morgan zuging.
    »Was wissen Sie sonst noch nicht?«
    Morgan trat einen Schritt zurück und rieb sich dabei heftig den linken Arm. »Ich wusste nicht, dass sie weg war. Aber ich pass auf sie auf.«
    Delaney schnaubte verächtlich. »Da leisten Sie ja ganze Arbeit. Hat sie einen Computer?«
    Als Morgan nicht antwortete, half Sally behutsam nach. »Hat sie ihren eigenen Computer, für die Hausaufgaben?«
    »In ihrem Schlafzimmer. Sie hat einen in ihrem Schlafzimmer. Ich weiß nicht, was sie damit macht.«
    Vielleicht zum ersten Mal verspürte Delaney einen Anflug von Sympathie für den Mann.
    Sally bedachte Morgan immer noch mit einem aufmunternden Lächeln, die gute Polizistin als Gegenstück zu Delaneys bösem Bullen. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir den Computer mitnehmen, Mr. Morgan?«
    »Wozu soll das gut sein? Sie braucht ihn. Die Kinder haben alle einen.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn sie nach Hause kommt, wird sie wissen wollen, wo er ist. Sie wird bald zu Hause sein, stimmt’s?«
    »Das hoffen wir.« Sally hatte eine besänftigende Stimme, wie weicher Honig. Delaney ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie vermutlich eines Tages eine gute Mutter werden würde; Howard Morgan war in mancherlei Hinsicht wie ein Kind.
    »Manchmal benutzen die Leute ihre Computer wie ein Tagebuch, Mr. Morgan«, sagte sie. »Sie schreiben Sachen hinein. «
    »Keine Ahnung. Sie hat mir nie was gezeigt.«
    »Es könnte uns helfen, sie zu finden.«
    »Dann nehmen Sie ihn mit. Ich will nur, dass sie wieder nach Hause kommt. Sie gehört hierher.«
    Delaney taxierte Morgan einen Moment lang, konnte in dessen Augen jedoch nichts entdecken, was er nicht auch schon in seinen eigenen gesehen hatte. Und das war kein beruhigender Gedanke.
     
Es gibt alle möglichen Orte, an denen die Habenichtse und Verzweifelten Londons sich aufhalten. Verlassene Lagerhallen, schmutzige Unterführungen, alte Friedhöfe, versteckt unter beschämendem viktorianischem Verfall, mitten im Herzen der Stadt, obwohl die Stadt natürlich kein Herz hat. Das war Bob Wilkinson klar. Es war eine Stadt, die Leute umbrachte. Buchstäblich. Man konnte jemanden genauso leicht mit einem Gebäude umbringen wie mit einer Axt – Bob wusste nicht, wer das gesagt hatte, aber das Gefühl konnte er gut nachvollziehen. Am liebsten wäre er einigen der Leute, mit denen er in seinem Job tagtäglich zu tun hatte, mit einer Axt begegnet. Er beobachtete, wie Bonner verächtlich schnüffelnd auf den reglosen Körper eines jungen Mädchens hinabschaute. Sie standen in einer Unterführung, einem nächtlichen Unterschlupf für Drogen- und Alkoholabhängige, die sonst nirgendwohin konnten. Im Winter kamen sie hier vermutlich um, aber im Sommer waren sie vor dem Regen und den Nasen der spätabendlichen Theaterbesucher auf der Shaftesbury Avenue geschützt. Vor Bonners Nase allerdings nicht, und es war ein Geruch, für den er wahrhaftig nicht viel übrig hatte.
    Er berührte das junge Mädchen grob mit der Schuhspitze, den Blick auf das Bild von Jenny Morgan in seiner Hand geheftet.
    »Sachte, Sergeant.« Bobs Missbilligung klang deutlich heraus, aber Bonner ignorierte ihn und trat erneut nach dem schlafenden Mädchen.
    »He da, aufgewacht!«
    Das junge Mädchen drehte den Kopf und blinzelte verärgert zu Bonner hoch.
    »Warum verpisst du dich nicht einfach?«
    Es war nicht Jenny. Bonner nickte ihr zu und steckte das Foto wieder in die Tasche.
    »Also gut, Prinzessin. Weiter mit dem Schönheitsschlaf.«
    Bonner und Wilkinson setzten ihren Weg durch die Fußgängerunterführung zwischen dem Krankenhaus und der Stelle, wo sie ihr Auto geparkt hatten, fort. Das Mädchen rief ihnen hinterher: »Warte mal, Bulle, hast du’n bisschen Kleingeld für mich?«
    »Klar«, rief Bonner zurück und ging weiter.
    Bob schaute ihn kopfschüttelnd an. »Sie sind wirklich das Letzte.«
    »Das hier ist das Letzte, Sergeant, und zwar für Sie.« Bonner

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