Hitzetod
Hand, um es mit Sorge im Blick zu betrachten. Dagegen waren die Augen, die ihm aus dem Foto entgegensahen, überhaupt nicht besorgt. Jack Delaneys Augen schienen fast zu lächeln.
Kate Walker saß an der Bar des Holly Bush in Hampstead, nippte an einer Bloody Mary und ließ die lauten Gespräche der anderen Gäste über sich hinwegrauschen. Sie schwenkte ihr Glas. Im Holly Bush hatten sie ihr eigenes Rezept für Bloody Marys: Zur Abrundung gossen sie immer noch einen Schuss Rotwein hinein, was dem Getränk eine düstere Authentizität verlieh. Sie nahm noch einen Schluck, und während sie tief durchatmete, versuchte sie, die Gedanken zu ordnen, die ihr wild durch den Kopf schossen. Es ergab für sie keinen Sinn. Die vorläufige Untersuchung von Moffetts Leiche war ziemlich einfach gewesen. Wie sie Diane Campbell erklärt hatte, konnte man nicht eindeutig sagen, ob es Selbstmord war. Anzeichen von Kampf oder Gegenwehr hatte es mit Sicherheit keine gegeben, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Autopsie gegenteilige Ergebnisse bringen würde. Das war einfach. Nicht einfach hingegen war die Frage, wie Jack Delaney in das alles hineinpasste. Von Campbell hatte Kate nur wenig erfahren, doch was sie aus Gesprächen mit den anderen Polizisten wusste, schockierte sie. Man beschuldigte ihn nicht nur des Mordes, sondern auch der Erpressung, des Diebstahls von Beweismaterial, des Drogenhandels und der Gewinnerzielung aus Kinderpornografie. Dass es auf dieser Welt nur wenig gesicherte Tatsachen gab, wusste sie, aber dass diese Anschuldigungen gegen Delaney völlig haltlos waren, dessen war sie sich sicher. Das wusste sie ganz genau. Was sie nicht wusste, war, was sie dagegen unternehmen konnte. Aus dem, was er am Telefon gesagt hatte, schloss sie, dass es gefährlich war, mit seinen Kollegen zu sprechen. Aber mit wem sollte sie denn sonst darüber reden? Vielleicht war es an der Zeit, ihren Stolz hinunterzuschlucken und mit ihrem Onkel zu sprechen, wie Bob Wilkinson es angedeutet hatte. Er würde schon wissen, was zu tun war. Es musste doch Protokolle geben. Sie trank ihr Glas leer und stand auf. Morgen würde sie mit ihm sprechen.
Wendy saß auf dem Sofa, die Knie geschlossen, die Arme schützend um sich geschlungen. Aus dem Fernseher ertönte die Titelmusik von Casualty und Wendy schnappte sich die Fernbedienung, um das Gerät auszuschalten. Für heute reichte es ihr. Die Polizisten waren schon vor einer ganzen Weile gegangen, aber sie war immer noch das reinste Nervenbündel. Seufzend kaute sie auf einem Fingernagel. Siobhan hatte nicht verstanden, warum die Polizisten da gewesen waren; sie hatte nicht verstanden, warum ihr Daddy nicht bei ihnen war, wohin er nach ihrer Erstkommunionfeier gegangen war, und Wendy hatten die Worte gefehlt, um es ihr zu erklären. Sie konnte nicht glauben, dass man Jack wegen Mordverdachts verhaftet hatte und dass er jetzt auf der Flucht war.
Als das Telefon klingelte, sprang Wendy auf. Sie brauchte einen kurzen Moment, um ihre Atmung zu beruhigen, dann hob sie ab.
»Hallo.«
»Hier ist Jack.«
»Jack, um Himmels willen, wo bist du?«
»Das spielt keine Rolle.«
»Natürlich spielt es eine Rolle. Ich hatte das Haus voll mit Leuten von der Kripo, die mich vernommen haben und Siobhan auch.«
»Geht es ihr gut?«
»Sie ist oben und schläft.«
»Ich möchte mit ihr sprechen.«
»Und was wirst du ihr sagen?«
Sie konnte seine Enttäuschung am anderen Ende der Leitung hören. »Mein Gott … ich weiß nicht, Wendy.«
»Eben. Deshalb lass sie schlafen.«
»Alles wird gut. Sag ihr das.«
»Wie?«
»Ich weiß nicht, wie. Sag es ihr einfach.«
»Solltest du überhaupt über deinen Apparat telefonieren? Können sie das nicht rauskriegen?«
»Es ist ein privates Handy, von dem sie nichts wissen.«
Wendy nickte und holte tief Luft. »Hast du es getan?«
»Traust du mir einen Mord zu?«
Wieder seufzte Wendy, während sie sich die Tränen aus den Augen blinzelte. »Ja, Jack, das tue ich.«
Es war noch hell draußen, als die Sonne langsam im Westen unterging. Tagsüber war es zwar noch viel heißer gewesen, aber die Hitze hing nach wie vor schwer in der Luft. In Kates Hausflur dagegen war es kühl und dunkel. Die Türen zu Küche, Esszimmer und Wohnzimmer waren alle geschlossen, und das Buntglasfenster in der Haustür hatte eher dunkle Farben. Der Fußboden war mit original viktorianischen Fliesen ausgelegt, einem geometrischen Mosaik in Rot, Grün und Cremefarben. Das
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