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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Besonderes, das Ihnen angst macht?« fragte er schließlich.
    »Ich glaube, es ist seine ganze Vergangenheit. Das ist alles so undurchsichtig.«
    »Und so voller Frauen«, fügte Greg hinzu.
    »Ja.«
    »Das ist schwierig für Sie.«
    Wir ließen uns auf einer Bank nieder.
    »Redet er manchmal über Françoise?«
    »Nein.«
    »Ich hatte damals eine Affäre mit ihr, müssen Sie wissen.« Er sah mich nicht an, als er das sagte, und ich hatte das Gefühl, daß er es noch nie jemandem erzählt hatte. Für mich war es wie ein Schlag, der mich völlig unerwartet traf.
    »Eine Affäre mit Françoise? Das habe ich nicht gewußt.
    Mein Gott, Greg, hat Adam das gewußt?«
    Greg antwortete nicht sofort. Dann sagte er: »Es fing erst während der Expedition an. Sie war sehr witzig. Und sehr schön.«
    »Ja, das sagen alle.«
    »Die Sache zwischen ihr und Adam war vorbei.
    Nachdem wir alle in Nepal eingetroffen waren, machte sie mit ihm Schluß. Sie hatte die Nase voll von seinen ständigen Seitensprüngen.«
    » Sie hat Schluß gemacht?«

    »Hat Adam Ihnen das nicht erzählt?«
    »Nein«, antwortete ich langsam. »Er hat mir gar nichts darüber erzählt.«
    »Er verträgt es nicht, wenn man ihn zurückweist.«
    »Habe ich das eben richtig verstanden?« fragte ich.
    »Françoise hat ihre langjährige Beziehung mit Adam beendet, und ein paar Tage später haben Sie beide eine Affäre begonnen?«
    »Ja. Und ein paar Wochen später ist sie – wenn Sie es ganz genau wissen wollen – oben in den Bergen gestorben, weil ich irgend etwas vermasselt habe, und Adam hat mich gerettet – seinen Freund, der seinen Platz an Françoises Seite eingenommen hatte.«
    Ich hätte so gern ein paar tröstende Worte zu ihm gesagt, aber mir fiel nichts Vernünftiges ein.
    »Ich muß allmählich zurück zu meinem Whisky.«
    »Sagen Sie, Greg, hat Adam das mit Ihnen und Françoise gewußt?«
    »Wir haben es ihm damals nicht erzählt. Er selbst lebte ja auch nicht gerade wie ein Mönch. Und später …« Er führte den Satz nicht zu Ende.
    »Er hat das Thema Ihnen gegenüber nie angeschnitten?«
    »Nein. Werden Sie mit ihm darüber reden?«
    »Nein.«
    Darüber nicht und über alles andere auch nicht. Die Zeiten, als wir uns noch alles erzählt hatten, waren lange vorbei.
    »Auf mich brauchen Sie dabei keine Rücksicht zu nehmen. Es spielt keine Rolle mehr.«
    Wir gingen zurück. Ich zog seine Jacke aus und gab sie ihm.

    »Mal sehen, ob ich hier irgendwo einen Bus erwische«, sagte ich. »Danke, Greg.«
    »Wofür? Ich habe nichts getan.«
    Ich legte spontan die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf den Mund. Er roch nach Whisky, und ich spürte seinen Bart.
    »Passen Sie auf sich auf«, sagte ich.
    »Adam kann sich glücklich schätzen.«
    »Ich dachte immer, ich sollte mich glücklich schätzen.«

    33. KAPITEL
    Manchmal war es mir vorgekommen, als wäre ich in Adams Gegenwart derart geblendet, daß ich ihn gar nicht richtig sehen konnte, geschweige denn analysieren oder beurteilen. Unser Leben bestand aus Sex, Schlaf, bruchstückhaften Gesprächen, Essen und gelegentlichen Versuchen, etwas zu unternehmen, aber selbst die fanden in einer gehetzten Atmosphäre statt, als versuchten wir noch möglichst viel zu erledigen, bevor das Boot unterging oder das Haus mit uns abbrannte. Ich hatte einfach aufgegeben. Anfangs war ich sogar dankbar gewesen, nicht mehr ständig nachdenken oder reden zu müssen und frei von Verantwortung zu sein. Die einzige Möglichkeit, Adam auf einigermaßen rationale Weise zu beurteilen, war, mir auf indirektem Weg ein Bild von ihm zu machen – anhand von dem, was die Leute über ihn sagten. Ihn auf diese distanzierte Weise zu betrachten, konnte manchmal sehr wohltuend sein und auch sehr aufschlußreich. Wie ein Foto von der Sonne, das man sich in Ruhe ansehen konnte, um etwas über dieses Gestirn da oben zu erfahren, ohne direkt in sein blendendes Licht hineinstarren zu müssen.
    Als ich von meinem Besuch bei Greg zurückkam, saß Adam vor dem Fernseher. Er rauchte und trank Whisky.
    »Wo bist du gewesen?« fragte er.
    »Arbeiten«, sagte ich.
    »Ich habe angerufen. Sie haben gesagt, du seist früher gegangen.«
    »Eine Besprechung«, antwortete ich vage.
    Das Wichtigste beim Lügen ist, keine unnötigen Informationen preiszugeben, die einen verraten könnten.
    Adam drehte sich zu mir um, sagte aber nichts. Irgend etwas an seiner Bewegung stimmte nicht, als wäre sie entweder eine Spur zu langsam oder zu

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