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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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versagen. Er räusperte sich. »Entschuldige.
    Wen hast du kennengelernt?«
    »Bloß … , niemanden, den du kennst. Es ist bloß …
    Gott, es tut mir so leid, Jake.«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Aber das ergibt doch keinen Sinn. Wir waren in letzter Zeit doch so glücklich. Ich meine, dieses Wochenende …« Ich nickte.
    Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. »Ich habe geglaubt – ich – wie hast du ihn kennengelernt?
    Wann ?«
    Diesmal konnte ich ihm nicht in die Augen sehen.
    »Das spielt doch keine Rolle.«
    »Ist der Sex mit ihm so gut? Nein, tut mir leid, das wollte ich nicht sagen, Alice. Ich verstehe es einfach nicht.
    Du willst das alles zurücklassen? Einfach so?« Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, über unsere gemeinsamen Sachen. »Warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »So schlimm steht es also?«
    Reglos saß er auf dem Sofa. Es wäre mir lieber gewesen, wenn er mich wütend angeschrien oder sonst eine Reaktion gezeigt hätte. Statt dessen lächelte er mich an.
    »Weißt du, was ich dir sagen wollte?«
    »Nein.«
    »Ich wollte dir sagen, daß ich es schön fände, ein Baby mit dir zu haben.«
    »O Jake.«
    »Ich war glücklich.« Seine Stimme klang irgendwie erstickt.
    »Und die ganze Zeit hast du, hast du …«
    »Nein, Jake«, unterbrach ich ihn mit flehender Stimme.
    »Ich war auch glücklich. Du hast mich glücklich gemacht.«
    »Wie lange geht das schon?«
    »Ein paar Wochen.«
    Ich sah, wie er überlegte, die jüngste Vergangenheit Revue passieren ließ. Er runzelte die Stirn und wandte sich von mir ab. Den Blick auf das Fenster gerichtet, sagte er in sehr förmlichem Ton: »Ändert es etwas, wenn ich dich bitte zu bleiben, Alice? Uns noch eine Chance zu geben?
    Bitte!«
    Er sah mich nicht an. Hand in Hand saßen wir nebeneinander und starrten beide geradeaus. Ich spürte einen großen Druck auf meiner Brust.
    »Bitte, Alice!« sagte er noch mal.
    »Nein.«
    Er zog seine Hand aus meiner. Während wir schweigend dasaßen, fragte ich mich, wie es nun weitergehen würde.
    Sollte ich sagen, daß ich meine Sachen irgendwann später abholen würde? Jake liefen Tränen über die Wangen. Ein paar rollten in seinen Mund, aber er machte keine Anstalten, sie wegzuwischen. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen. Langsam hob ich die Hand, um ihm die Tränen wegzuwischen, aber er wandte sich mit einer abrupten Bewegung ab. Endlich regte sich bei ihm so etwas wie Wut.
    »Mein Gott, Alice, was willst du eigentlich? Willst du mich trösten oder was? Willst du mir beim Heulen zusehen? Wenn du gehen mußt, dann geh einfach.«
    Ich ließ alles zurück. Alle meine Kleider, meine CDs, mein Schminkzeug, meinen Schmuck. Meine Bücher und Zeitschriften. Meine Fotos. Meine Aktenmappe voller Arbeitsunterlagen. Mein Adreßbuch und mein Tagebuch.
    Meinen Wecker. Meinen Schlüsselbund. Meine Französischkassetten. Ich holte nur meine Brieftasche, meine Zahnbürste und meinen Pillenvorrat. Dann zog ich den dicken schwarzen Mantel an, den Jake mir zu Weihnachten geschenkt hatte, und trat mit den falschen Schuhen in den Matsch hinaus.

    8. KAPITEL
    In Zeiten wie diesen, glaubt man, würde man seine Freunde brauchen. Doch ich wollte niemanden sehen, weder meine Freunde noch meine Familie. Mir gingen die wildesten Gedanken durch den Kopf. Ich sah mich auf der Straße schlafen, unter irgendwelchen Torbogen oder in Hauseingängen, aber sogar die Selbstbestrafung hatte ihre Grenzen. Wo konnte ich billig übernachten? Ich hatte in London noch nie in einem Hotel gewohnt. Mir fiel ein, daß mir kürzlich vom Taxi aus eine Straße aufgefallen war, in der sich ein Hotel an das andere reihte. Das war irgendwo südlich der Baker Street gewesen. Dort würde ich bestimmt etwas finden. Ich nahm die U-Bahn und stieg an der Baker Street aus. Nachdem ich das Planetarium hinter mir gelassen hatte, überquerte ich die Straße und ging noch einen Häuserblock weiter. Da war es, eine lange Straße mit weißen Stuckhäusern, die alle in Hotels umgewandelt worden waren. Ich entschied mich für das Devonshire und ging hinein.
    Am Empfang saß eine sehr dicke Frau, die in barschem Tonfall etwas zu mir sagte, das ich wegen ihres starken Dialekts nicht verstand. Aber ich sah hinter ihr an der Wand eine Menge Schlüssel hängen. Momentan war keine Touristensaison. Ich deutete auf die Schlüssel.
    »Ich möchte ein Zimmer.«
    Sie schüttelte den Kopf und redete weiter. Ich war mir nicht sicher, ob sie mit mir sprach

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