Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
vor die Brüder vom Rebenländer Orden und sortierten ihre alten Bücher, fertigten Abschriften historischer Dokumente an und pflegten ihre Kräutergärten. In den tiefen Kellern von Hegmafor jedoch befand sich der älteste Stützpunkt der Bruderschaft von Yoor. Schon seit Jahrhunderten gab es hier ein geheimes Nest seiner Brüder – mehrmals schon für Jahrzehnte völlig verwaist, seit dreißig Jahren jedoch wieder rege genutzt. Chast war von hier hervorgegangen, er selbst auch, und vor ihm zahllose andere Bruderschaftler. Seit der Dämonenaustreibung vor etwas mehr als dreißig Jahren war jedoch niemand mehr auf die Idee gekommen, dass sich hier erneut ein Geheimversteck der Bruderschaft gebildet hatte. Als er am vergangenen Abend hier angekommen war, hatte er allerdings selbst nicht gewusst, ob dieser Stützpunkt noch existierte.
Vor über einem Jahr war er zum letzten Mal hier gewesen, und nach dem Drachenkrieg hätte es sein können, dass die Bruderschaft so sehr zerschlagen wäre, dass er die alten, geheimen Keller leer vorgefunden hatte. Doch gleich nach seiner Ankunft hatte er von Prior Septos gehört und darum gebeten, ihn sehen zu dürfen. Septos war schon seit zwanzig Jahren hier, und seit zehn Jahren stand er im Rang des zweithöchsten Würdenträgers des Rebenländer Ordens. Im Geheimen jedoch war er einer der Verantwortlichen des geheimen Stützpunkts. Rasnor hatte ihm klar gemacht, wer nun in der Bruderschaft das Sagen hatte. Der Prior hatte nur kurz gezögert und ihm dann seinen Gehorsam zugesichert. So weit, so gut.
Nun galt es herauszufinden, welche Unterstützung er von hier erhalten konnte. In Thoo hatte er einen weiteren Novizen verloren, und das war schon der siebte seiner Brüder, der bei einem Angriff der Truppen der Shaba umgekommen war. Nur vierzehn waren noch übrig, vierzehn Menschen unter mehreren Hundert Drakken, über die er gebot. Er brauchte einfach mehr Leute.
Nach wie vor mochte er die Echsenwesen nicht, und nach wie vor waren sie zu keinen großen Intelligenzleistungen imstande, sah man einmal von den Lfm-Offizieren ab. Aber die mochte er am wenigsten. Rasnor erhob sich und machte sich auf leisen Sohlen auf den Weg. Der Schlafsaal war groß, aber es schliefen nur wenige Brüder hier. Die Zeiten hatten sich geändert; Rasnor konnte sich noch an Tage erinnern, da die Abtei Wandermönche hatte abweisen müssen, die um Unterkunft ersucht hatten, weil die Schlafsäle belegt und das Refektorium überfüllt gewesen waren.
Heute lebten hier noch um die zwanzig Brüder, und es waren gerade mal drei Wandermönche zu Gast. Wie viele Bruderschaftler es unten in den Katakomben geben mochte, wusste er nicht. Er durchquerte den Saal und huschte zur Tür hinaus. Auf dem Korridor wandte er sich nach Osten und lief bis zum Schlafsaal der Novizen. Dort gab es ein Fenster, durch das er in einen schmalen Spalt zwischen der Ostmauer und dem Unterkunftsgebäude hinabsteigen konnte. Die Wege kannte er von früher noch bestens, ebenso wie er wusste, dass ihn keiner der Novizen verraten würde, sollte einer von ihnen erwachen. In Abteien wie Hegmafor gab es in den niederen Rängen allerlei heimliches Getue und dazu passende ungeschriebene Gesetze. Wer sich nicht von den höheren Brüdern oder von der Nachtwache auf frischer Tat ertappen ließ, war sicher. Niemals würde ein Novize jemanden verpetzen, der nachts irgendwo herumschlich.
Leise kletterte Rasnor durch das Fenster hinaus. Sicher erreichte er den schmalen Spalt zwischen der Hauswand und der Ostmauer. Von dort ging es südwärts an der Abteimauer entlang; an einer Stelle konnte man hinüber in den Innenhof zur Nachtwache blicken: Ein einsamer Novize saß mitten auf dem Abteihof und fristete, in eine wärmende Decke gewickelt und mit einer Laterne bewaffnet, seinen nächtlichen Dienst.
Rasnor wusste, dass es sich hier nur um alte Traditionen handelte, nicht um wirklichen Wachdienst. Trotzdem durfte man sich von dem nächtlichen Aufpasser nicht erwischen lassen, denn er würde Alarm schlagen. Zum Glück kannte Rasnor sämtliche Schleichwege.
Er wandte sich nach Süden, wo es zwischen der Abteikapelle und der Ostmauer eine weitere schmale Passage gab. Von dort aus gelangte er ungesehen ins Zeughaus an der Südseite der Abtei. Alles war verlassen und dunkel. Er schlich hinauf in den ersten Stock und fand den alten, versteckten Durchlass in der Bretterwand, durch den er in den westlichen Teil des Zeughauses gelangen konnte. Bald verließ er den
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