Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
zu einem der beiden anderen Clubs hingezogen fühlen?«
»Vielleicht. Aber der Club meines Zielobjektes ist der größte und übt deshalb vermutlich auch die größte Anziehungskraft auf Leute aus, die auf so etwas stehen.«
Ich erinnerte mich an die Karte, die ich in Jins Schublade gefunden hatte. »Der Club heißt nicht zufällig Hellion Club ?«
»Doch.« Er sah wieder zu mir herüber, diesmal wirkte er besorgt. »Woher weißt du das?«
»Ich habe eine Visitenkarte in Jins Schublade gefunden.«
»Wenn du seine Schubladen durchsuchst, handelt es sich bei ihm wohl eher um einen Auftrag, als dass du dich nur mit ihm amüsierst.«
»Nun, eigentlich wollte ich mich nur mit ihm amüsieren, bis ich gesehen habe, dass er den gleichen Ring trägt, den wir an einem Tatort gefunden haben.« Ich zögerte. »Konntest du dir Zugang zu den Personalakten des Hellion Clubs verschaffen?«
»Ich lasse derzeit daran arbeiten. Wieso?«
»Weil auf der Visitenkarte, die ich gefunden habe, Jins Name stand.«
Er sah kurz mit undurchdringlicher Miene zu mir herüber. »Steht dieser Jin auf brutalen Sex?«
»Ein bisschen. Allerdings nicht so extrem, wie es offensichtlich in dem Club angeboten wird.«
»Trotzdem, ich dachte immer, du stehst nicht auf brutalen Sex.«
»Das tue ich auch nicht. Jin hat sich zurückgehalten.« Ich sah ihn von der Seite an. »Und schließlich kümmert sich ja derzeit niemand anders um meine Bedürfnisse.«
»Sex ist nicht alles, Riley.«
»Für einen Werwolf kurz vor Vollmond schon.« Ich schüttelte den Kopf. »Das wirst du nie begreifen, stimmt’s?«
»Deiner Miene nach zu urteilen vermutlich nicht.«
Wie recht er hatte. Als er nach links in eine unbekannte Straße abbog, sah ich mich um und stellte fest, dass wir nicht zu meiner Wohnung fuhren, sondern in die andere Richtung. »Verdammt, in welches Restaurant bringst du mich? Ich muss essen und schlafen.« Ganz zu schweigen davon, dass ich meinen Bericht bei Jack abliefern musste.
»Du wolltest frühstücken. Ich dachte, ich koche etwas für dich.«
»Du kochst?«
»Zwölfhundert Jahre sind eine Menge Zeit, es zu lernen.«
»Wo steht denn dein Palast?« Während der ganzen Zeit, die wir miteinander ausgingen, hatte er mich noch nie mit in seinen Melbourner Wohnsitz genommen. Entweder waren wir bei mir gewesen oder in seinem Flugzeug oder in irgendeinem vornehmen Hotelzimmer, das er für die Nacht reserviert hatte. Aber nie bei ihm privat. »Und wieso jetzt auf einmal?«
Er zuckte mit den Schultern. »Weil ich es dir schuldig bin. Weil du recht hast, wenn du sagst, dass ich dir mehr von mir erzählen muss, wenn aus uns mehr als nur eine Bumsbeziehung werden soll.«
»Wow, eine Premiere – der Vampir gibt zum ersten Mal zu, dass ich recht habe.«
»Ich kann dich gern woanders hinbringen.«
Diesmal war ich klug und hielt lieber den Mund.
Wir landeten in Warrandyte, einem kleinen, aber äußerst angesagten »Künstler«-Viertel am Rande der Stadt, das direkt neben dem Yarra River und einem öffentlichen Park lag. Die Leute hatten den Ruf, konservativ und nachbarschaftlich zu sein. Es war nicht gerade der Ort, an dem ich einen auf Sicherheit bedachten, Privatsphäre schätzenden Milliardär vermutet hätte.
Die nächste Überraschung war das Haus. Den Vorgarten umgab ein weißer Lattenzaun, und das kleine, verwitterte Gebäude hatte nicht nur dringend einen Anstrich, sondern auch einen Gärtner nötig. Zu sagen, die Pflanzen hätten den Garten eingenommen, wäre deutlich untertrieben.
»Wo ist die Villa?«, fragte ich, als er mir aus dem Wagen half. Der köstliche Geruch von Lavendel und Eukalyptus wehte mir entgegen, und ich atmete tief ein. Durch die frische Luft fiel etwas Müdigkeit von meinem Körper ab.
»Die Villa steht in Brighton. Das ist mein Haus. Das ist mein Zuhause.« Er verschränkte seine Finger mit meinen und führte mich die steilen Stufen hinauf. Der Holzboden der Veranda knarrte unter unseren Schritten, und als er stehen blieb, um die Tür zu öffnen, blickte ich vorsichtig nach unten. »Kann die zwei Leute tragen?«
»Sie ist alt, nicht morsch.« Er stieß die Tür auf. »Willkommen in meiner Welt.«
Seine Welt war warm und gemütlich und das ganze Gegenteil von dem, was ich mir vorgestellt hatte. Das Haus an sich war winzig und bestand nur aus zwei Schlafzimmern, einer Küche, einem Badezimmer und einem Wohnzimmer. Dennoch wirkte es überhaupt nicht beengt. Durch die Holzbohlen aus Kiefernholz, das Mauerwerk
Weitere Kostenlose Bücher