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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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heruntergeschraubte Version überirdischer Weisheit.
    Ich find’s Scheiße. »Woher soll ich gute Erinnerungen nehmen, wenn ich so verdammt wütend bin?«, frage ich.
    »Du bist auf vieles wütend«, sagt Bob. »Hier hast du reichlich Zeit, dich damit auseinanderzusetzen. Krame eine gute Erinnerung an deine Schwester hervor und konzentriere dich darauf.«
    »Danke, Todesengel«, erwidere ich. Er hasst es, wenn ich ihn so nenne.
    »Molly«, sagt er. »Tu es. Durchforste dein Hirn nach einer guten Erinnerung an Lucy.«
    Eine Zeitlang hätte ich genauso gut nach meinem Puls fühlen können, doch dann erinnerte ich mich an etwas. Es war vor zwei Jahren. Zu unserem dreiunddreißigsten Geburtstag hatten unsere Eltern uns ein extravagantes Geschenk gemacht: einen einwöchigen Aufenthalt in einem schicken mexikanischen Fitness-Hotel. Die Reise würde uns einander wieder näher bringen, hatten sie gehofft.
    Sechs Tage lang wohnten wir zusammen in einer stuckverzierten Hazienda, die aussah, als gehörte sie eigentlich auf einen Minigolfplatz. Wir standen im Morgengrauen auf, wenn die Luft noch feucht und kühl war, und wanderten über die von wilden Blumen übersäten Berghänge   – Lucy vorneweg mit dem Führer und ich, natürlich, hinten als Schlusslicht. Nach einem Frühstück, von dem zwei Scheunendrescher satt geworden wären, probierten wir jeden angebotenen Fitnesskurs aus. Lucy gefiel Pilates am besten; ein riesiges Gerät, das an eine mittelalterliche Folterbank erinnerte, hatte es ihr besonders angetan. Nachmittags spielten wir Tennis. Sie gewann ein Spiel nach dem anderen, aber es machte mir nichts aus, ich war wie hypnotisiert von dem Plonk-Plonk-Plonk der Bälle auf dem rostroten Court, ein Geräusch, das nach Sommerferien klang.
    Wenn der Nachmittag sich dem Ende zuneigte, gingen wir zuMassagen, bei denen uns heiße Steine auf die Haut gelegt wurden, oder ließen unsere strapazierten Muskeln von stämmigen kleinen Mexikanerinnen mit Seetang umwickeln. Gifte aller Art waren verpönt, und so dösten wir noch ein bisschen in der Hängematte und verbrachten die Abende damit, bunte Perlen zu Ketten aufzufädeln, die wir nie tragen würden, oder Vorträgen über tiefschürfende Fragen zu lauschen: Was braucht eine Frau
wirklich?
Magnesium! Und um halb zehn fielen wir regelmäßig ins Bett, ohne einen der dicken Schmöker, die wir mitgeschleppt hatten, auch nur aufzuschlagen.
    Irgendwann zwischen Kickboxen und Aerobic zu Soulmusik, Wellnessprogramm und Meditieren, waren wir zu Vertrauten geworden. »Ich bin schon wieder sitzen gelassen worden«, sagte Lucy an unserem letzten Abend. Wir hatten das Licht ausgeschaltet, und der Duft von Jasmin und Geißblatt wehte sanft durch die offenen Fenster herein.
    »Wer war es?« Ich wusste zwar, dass Lucy mit jemandem zusammen war, aber sie hatte nie einen Namen genannt; und hätte ich sie zu dem Thema interviewt, wäre ich sofort einen Kopf kürzer gewesen.
    »Du kannst ihn Arschloch nennen.«
    »Was ist passiert?«
    »Er ist verheiratet.«
    »Ich dachte, du wärst zu klug, um dich auf so was einzulassen.«
    Lucy schwieg eine Weile. Ich dachte schon, dass sie wohl eingeschlafen sei, als sie plötzlich mit ungewohnt weicher Stimme zu reden begann.
    »Anfangs war es bloß heißer Sex, und es war mir egal. Es hat mich sogar irgendwie angemacht, diese Heimlichtuerei – wenn wir uns endlich sehen konnten, rissen wir uns die Kleider vom Leib. Wir haben uns bei mir getroffen, und alle paar Monate sind wir für ein Wochenende weggefahren. Erinnerst du dich an meine Reise nach Miami Beach?«
    Ja, sicher. Hotel Delano, Schwarze Steinkrabben, Mojitos,Unterwassermusik, Bungalows direkt am Pool. Lucy hatte es so lebendig geschildert, dass ich glaubte, selbst dort gewesen zu sein. »Das war vor drei Jahren.«
    Sie seufzte. »Ich bin auch noch mit anderen ausgegangen, aber nach und nach habe ich mich total auf diesen Blödmann eingelassen. Habe auf seine Anrufe gewartet, meine Freunde belogen, Szenen gemacht, wenn er in letzter Minute abgesagt hat, was er meistens tat.« Lucy setzte sich in ihrem Bett auf und schlang die Arme um die angezogenen Knie. »Herrgott, es ist mir so peinlich, dir das alles zu erzählen.«
    »Hör jetzt nicht auf.«
    »Er hat immer gesagt, dass er seine Frau verlässt und mit mir zusammenzieht. Kannst du dir vorstellen, dass ich, Lucy Divine, diesem Drecksack das abgekauft habe?«
    Ich hielt den Atem an. »Was ist passiert?«
    »Vor zwei Wochen hat Jessica – eine

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