Ich Töte
geh wieder schlafen. Weniger intelligente Menschen als du müssen sich über Nacht so lange wie möglich wieder aufladen, um richtig effektiv zu sein.«
311
»Mach’s gut, du Idiot. Break a leg. «
Er beendete das Gespräch und legte das schnurlose Telefon neben den Computer. Neues Spiel, neues Glück, neue Jagd, neue Probleme. Das Attachment mit den Daten über Hudson McCormack zog er auf eine Diskette, ohne es zu öffnen. Er beklebte sie mit einem Etikett, das er in der Schublade fand, und schrieb »Cooper« darauf.
Keine vertraulichen Namen für fremde Augen.
Das kurze Gespräch mit seinem Kollegen hatte ihn einen Augenblick lang nach Hause versetzt, auch wenn nach Hause momentan für ihn nur eine vage Vorstellung war. Er fühlte sich, als habe sein Astralkörper ohne Emotionen auf einer tausende von Kilometern entfernten Bahn die Trümmerhaufen seiner Existenz umkreist, mit der Transparenz von Geistern, die sehen, ohne gesehen zu werden.
Er war in Coopers Haus und gleichzeitig in dem Büro, das sie sich lange beim FBI geteilt hatten, und in seinem seit Monaten verlassenen Haus, und er lief in den dunklen Straßen Washingtons umher.
Was bringt denn das alles? Gibt es in dieser erbärmlichen Geschichte der armen Menschheit irgendjemanden, der das kapiert hat? Und wenn er es kapiert hat, warum erklärt er es nicht den anderen?
Vielleicht war die glaubwürdigste Antwort, dass ihm keiner glauben würde …
Er schloss die Augen, und es kam ihm ein Gespräch in den Sinn, das er mit Pater Kenneth geführt hatte, einem Priester und Psychologen in der Klinik, die ihn aufgenommen hatte, nachdem ihm die Geschichte mit Harriet den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Wenn er nicht mit Therapie oder Analyse beschäftigt war, dann hatte er auf einer Bank im Park der Luxusanstalt gesessen, ins Leere gestarrt und mit dem Bedürfnis gekämpft, ihr auf ihrem Weg zu folgen. Dieses Mal war Pater Kenneth gekommen, hatte sich lautlos über den Rasen genähert und sich neben ihn auf die schmiedeeiserne Bank mit den dunklen Holzlatten gesetzt.
»Wie geht’s, Frank?«
Er hatte ihn aufmerksam angesehen, bevor er geantwortet hatte.
Er hatte sein langes Gesicht gemustert, bleich wie das eines Exorzisten, mit den scharfen Augen, die um die inneren Kämpfe eines Mannes wussten, der Wissenschaft und Glauben in sich vereinte. In seiner Straßenkleidung hätte er der Vater eines beliebigen Patienten sein können.
»Ich bin nicht verrückt, wenn es das ist, was Sie hören wollen.«
312
»Ich weiß, dass Sie nicht verrückt sind, und Sie wissen, dass es nicht das ist, was ich hören wollte. Als ich Sie gefragt habe, wie es Ihnen geht, habe ich wirklich wissen wollen, wie es Ihnen geht.«
Frank hatte die Arme in einer Geste ausgebreitet, die alles oder nichts bedeuten konnte.
»Wann kann ich von hier weggehen?«
»Fühlen Sie sich dazu bereit?«
Pater Kenneth hatte die Frage mit einer Gegenfrage beantwortet.
»Wenn ich mich selbst das frage, sage ich mir, dass ich es nie wissen werde. Daher habe ich Sie gefragt.«
»Sind Sie gläubig, Frank?«
Er hatte sich ihm zugedreht, mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen.
»Bitte, Pater, kommen Sie mir jetzt nicht mit einer Banalität, ›Sei bei Gott, und Gott wird mit dir sein‹. Als sich unsere Blicke gekreuzt haben, hat Gott seine Augen von mir abgewandt.«
»Kränken Sie nicht meine Intelligenz, und vor allem, kränken Sie nicht Ihre eigene. Sie beharren darauf, mir die Fesseln einer Rolle zu unterstellen, vielleicht weil Sie sich dafür entschieden haben, selber eine zu spielen. Es gibt einen Grund, warum ich Sie gefragt habe, ob Sie an Gott glauben …«
Frank hatte den Blick gehoben und angefangen, einen Gärtner dabei zu beobachten, wie er einen Ahorn einpflanzte.
»Das interessiert mich nicht. Ich glaube nicht an Gott, Pater Kenneth. Und das ist kein Vorteil, was auch immer Sie denken mögen.«
Er hatte sich ihm zugewandt.
»Es bedeutet, dass es niemanden gibt, der mir meine Sünden verzeiht.«
Tatsächlich war er immer überzeugt gewesen, keine zu begehen, dachte er, obwohl er längst dabei war, es zu tun. Er hatte der Person, die er liebte, mehr und mehr vom Leben entrissen, obwohl er es mehr als alles andere auf der Welt hätte beschützen müssen.
Während er die Schuhe anzog, beförderte ihn das Läuten des Telefons wieder in die Gegenwart. Er nahm erneut das schnurlose Telefon.
»Hallo.«
»Salut, Frank, ich bin’s, Nicolas. Bist du wach?«
»Wach
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