Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)
bessere Formulierung als die abgegriffene ein, die ich gleich benutzen werde?«
»Und wie lautet die?«
»Ich möchte dich lieben. Hier und jetzt. Im Stehen.«
Ich spüre, wie sich Hitze zwischen meinen Beinen ausbreitet. Er legt seine Hand auf meine Taille und beginnt, die Knöpfe zu zählen, die nach unten führen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis er die Nummer vier er reicht hat, den Knopf öffnet und seine Hand in mein Kleid gleiten lässt. Es kostet mich meine gesamte Energie und Willenskraft, zu sagen: »Bitte nicht, noch bin ich verheiratet.«
Er schließt die Knöpfe wieder. »Warum bist du dann hier?«
»Es tut mir Leid.«
Er küsst mich auf die Stirn. »Geh zu Bett. Wir sehen uns morgen. Du wirst deine Meinung ändern, dessen bin ich mir sicher.«
Selbst als ich gehe, ohne einen Blick zurückzuwerfen, weiß ich, dass er Recht hat.
9
Erinnerst du dich, Amanda Ruth, wie ich dich auf den Boden zu ziehen pflegte? Der Fluss weckte dein Verlangen nach mir, deine Lider zitterten unter meinen Lippen. Es war die Hitze, die uns zusammenbrachte, wenn wir uns unserer Kleider entledigten, um uns Haut an Haut zu spüren, nackt auf den Holzplanken liegend, die sich durch die Hitze verzogen hatten. Meine Finger zeichneten die Schatten nach, die sich immer wieder neu unter deinen Brüsten bildeten. Als ich zum ersten Mal diese Elektrizität in dir kostete, brachte ich meinen Mund an deinen, um dich ebenfalls davon kosten zu lassen.
»Das bist du«, flüsterte ich und du wolltest mich nicht loslassen, sporntest mich an, dich leidenschaftlich zu küssen, bis wir die Stimmen deiner Eltern auf der Veranda vernahmen. Damals spürte ich etwas Unverfälschtes in mir, eine Wärme, die mich in dem Augenblick verließ, als ich von deinem Tod erfuhr. Doch nun kehrt sie zu mir zurück, diese Wärme, hier auf dem Fluss, bei Graham.
10
Die Red Victoria legt seitwärts an dem Brückenkahn an, der uns an Land bringen wird, ein Knirschen von Metall auf Metall. Kurz danach sitzen wir uns paarweise gegenüber, bilden ein vierblättriges Kleeblatt: ein trügerischer Glücksbringer. Anhand der Anordnung – Stacy und Dave auf der einen, Graham und ich auf der anderen Seit e – könnte man meinen, wir wären zwei glücklich verheiratete Paare.
Wir besteigen einen Bus unweit des Kais, der uns in die bewaldete Bergregion des Lu Shan hinaufbringt. Unsere erste Station ist der Dongling Tempel. In der Straße vor dem Tempel wimmelt es von Bussen und chinesischen Touristen. Straßenhändler haben alle Hände voll zu tun mit dem Verkauf von Filmen und Postkarten. Die Luft ist schwer vom aromatischen Duft des Weihrauchs. An einem Stand werden kleine, von Mönchen hergestellte schwarze Kunststoffkästchen feilgeboten. Wenn man das Ohr an die Schachtel legt und lauscht, hört man durch das elektro statische Knistern schwache Klänge, den monotonen litur gischen Gesang der Mönche.
»Dieser Tempel ist Wiege von Reine-Erde-Schule in Buddhismus«, erklärt Elvis Paris durch sein Megaphon. Wir bahnen uns den Weg zum Eingang. »Ist beinahe zwei tausend Jahre alt.« Er deutet auf große Schraubverschluss gläser, die rechts und links neben den Toren zum Tempel aufgestellt sind. »Wer will, darf Opfergaben für Götter machen.«
Nachdem mehrere Leute, Dave eingeschlossen, pflichtschuldig ein paar Münzen gespendet haben, lacht Elvis Paris. »Heute die meisten chinesischen Leute sind nicht für Aberglauben, doch vielleicht bringt Glück! Bringt sehr reich!« Er lacht abermals. »Bitte nicht Fotos in Tempel.«
Man kann sich vorstellen, wie der erlesen gestaltete, bunt bemalte Tempel in früheren, beschaulicheren Zeiten ausgesehen hat, wie prächtig er war und was für ein Gefühl des inneren Friedens er bewirkt haben könnte. Heute erinnern die Menschenmassen und die allgemeine Atmosphäre in der Tempelanlage an einen Rummelplatz. Einige Mönche in leuchtenden Gewändern stehen wie Türsteher auf den Schwellen, betrachten die Touristen gelangweilt und mit leicht ungehaltener Miene. Am Eingang zum Tempel kauft Graham einer alten zerlumpten Frau eine Packung Räucherstäbchen ab. Drinnen kniet er vor einem Altar am Fuß einer hoch aufragenden, goldenen Buddhastatue nieder und zündet eines nach dem anderen als Opfergabe an. Er stolpert beim Aufstehen. Ich ergreife seinen Ellenbogen und stütze ihn. »Alles in Ordnung?«
»Kommt manchmal vor, dass ich nicht ganz sicher auf den Beinen bin. Ist nicht weiter schlimm.«
Ich deute mit einem
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