Im Himmel ist die Hölle los
zurück.
»Bist du eigentlich auch zu der Verkaufsaktion gegangen, Nachbar?« erkundigte sich Gustav neugierig.
Björn schüttelte den Kopf. »Hör mal, sämtlichen alten Abteilungskrempel, auf den ich scharf war, hatte ich mir längst zusammengeklaut, bevor ich damals den Job hingeschmissen habe. Das ist sowieso nichts als ein Haufen Müll, jedenfalls das meiste. Alles schrottreifer Kram, der sehr oft schon nichts getaugt hat, als er noch neu war. Zu Schleuderpreisen den Plunder einkaufen und dann bis zum Auseinanderfallen verheizen, das ist deren Motto. Nimm zum Beispiel das Schaltjahr.«
Gustav runzelte die Stirn. »Das Schaltjahr?«
»Ja, das Schaltjahr«, wiederholte Björn, wobei er sich allmählich für das Thema erwärmte. »Das ist ein ganz typischer Fall. Ich meine, angenommen, du baust eine Jahreszeitenfabrik, dann würdest du dir doch bestimmt nicht das Leben schwermachen und gebrauchtes Gerümpel vom Schrottplatz holen, oder? Ausgeschlossen. Es ist doch wohl klar, daß du nur erstklassige Teile kaufst, die nicht kaputtgehen, und wenn doch mal eine Reparatur fällig ist, dann wenigstens nicht alle fünf Minuten. So sehen die das natürlich nicht, o nein, weit gefehlt sogar. Und das ist der Grund, warum wir ein Schaltjahr haben. Oder hast du allen Ernstes geglaubt, die haben das extra eingeführt?«
»Ähm …«
Björn kicherte abfällig und fuhr mit zorniger Stimme fort: »Von wegen! In Wirklichkeit liegt es daran, daß die Hauptwellenlager vollkommen hinüber sind. Das hat mir jedenfalls mal ein Typ vom Wartungsdienst erzählt, den ich früher gekannt habe. Ein Wunder, daß das Ding den Geist noch nicht aufgegeben hat. Geschähe denen ganz recht.«
Er verstummte. Dann legte er sich auf den Rücken und warf einen finsteren Blick auf seine Stiefelspitzen. Auf dem Ast über seinem Kopf tollte wild piepsend eine Familie Backenhörnchen herum. Summend flog eine wunderschöne Libelle vorbei, und auf ihren kaleidoskopartigen Flügeln blitzte die Sonne.
»Welch herrlicher Tag«, seufzte Gustav unwillkürlich. »Wirklich, Nachbar Björn, dieser Anblick tut meinem alten Herzen wohl. Kannst du nicht …« Er brach mitten im Satz ab. Ihm war klar, daß er in den Wind redete, aber ihm war nun mal danach, denn trotz seines hohen Alters ließ er sich immer wieder von den unendlichen Wundern der Natur fesseln. »Spürst du nicht, wie die durstige Erde die lebensspendende Wärme in sich aufsaugt und unter dem Erdboden die Samen zum Leben erwachen und aufgehen? Spürst du nicht, wie sich auch die kleinsten Lebewesen an ihrem Dasein erfreuen und …«
»Doch, doch«, unterbrach ihn Björn und machte dabei ein verdutztes Gesicht. »Doch, doch«, wiederholte er, »da ist was dran.« Er runzelte die Stirn, setzte sich auf, schlug geistesabwesend mit dem Handrücken die Libelle tot und starrte lange nachdenklich in die Sonne. »Also, das ist ja komisch«, stellte er schließlich staunend fest.
»Das darf doch nicht wahr sein!« empörte sich Jane. »Dabei hatte ich so gehofft, endlich mal die Gelegenheit zu bekommen, mich mit Ihnen zu unterhalten.«
Gängers Hand hatte bereits auf der Türklinke gelegen. Er erstarrte. Dann drehte er sich lächelnd um und antwortete: »Sicher. Aber hören Sie, ich muß nur noch schnell ein paar Anrufe erledigen, und dann …«
»Es dauert wirklich nur einen Moment, das verspreche ich Ihnen«, fiel ihm Jane unerbittlich ins Wort – ihr Ton war so scharf, daß man daran hätte Meißel schleifen können –, woraufhin Gänger zusammensackte und um etwa drei Zentimeter kleiner zu werden schien.
»Gut, dann kommen Sie mit herein«, gab er schließlich nach.
Auch wenn Jane die letzten zwei Stunden damit verbracht hatte, vor dem Büro auf Gänger zu warten, betrat sie es heute doch zum erstenmal. Beeindruckt war sie keineswegs. Ein Büro, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, na und? Zwar unterschied es sich von anderen Büros dadurch, daß für die Geräuschberieselung kein Radio verantwortlich war, sondern sieben Posaunenengel, aber dadurch war es nicht unbedingt besser. Gänger wirkte jetzt noch schlaffer als zuvor; hätte er Blütenblätter gehabt, wäre in diesem Moment das eine oder andere von ihm abgefallen.
Dennoch ließ er sich auf der Schreibtischkante nieder und wies Jane mit einer müden Handbewegung einen Sessel zu. »Worum handelt es sich denn?« fragte er.
»Nur um ein oder zwei Sachen«, antwortete Jane. Dann griff sie in ihre Aktentasche und holte zwei
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