Im Schatten meiner Schwester. Roman
ein.
»Du hattest recht. Er hat mich benutzt.«
»Ist das in Ordnung für dich?«
»Ja. Ich bin sogar erleichtert. Ich bin es müde, dich zu bekämpfen.«
Kathryn wandte sich einfach wieder Robin zu.
»Ich habe viel gepackt.« Molly erzählte ihr von der Kriegskiste. Sie erwähnte David nicht, sie wollte ihre Mutter nicht aufregen, obwohl diese wirkte, als befände sie sich selbst auch halb im Koma. Angesichts des Schattens, der über allem hing, was sie selber tat, konnte Molly sich nur annähernd die Tiefe von Kathryns Trauer vorstellen.
Etwas musste helfen. Entschlossen, danach zu suchen, was es auch war, kehrte Molly nach Hause zurück und griff die nächste Schicht in Robins Schrank an. Mit einem weiteren Arm voller CD s vom Boden und keinem Anzeichen von Mäusen fragte sie sich schon allmählich, was Robins Warnung sollte, als sie endlich auf eine Goldader stieß.
[home]
13
E ine CD . Im Nachhinein war es offensichtlich. Nachdem sie so viele Jahre ein Tagebuch geführt hatte, hätte Robin nicht einfach damit aufgehört. Sie hatte nur das Format gewechselt. Anstatt ein Buch zu verwenden, würde sie einen Computer benutzen – doch nicht irgendeinen Ordner, da sie ja die ganze Zeit ihre E-Mails von Molly checken ließ. Wenn sie private Gedanken aufzeichnen wollte, würde sie sie auf eine CD tippen und diese wegsperren.
Diese war nicht gerade weggeschlossen, sondern befand sich dort, wo Robin wusste, dass Molly nicht herumschnüffeln würde, wenn es die Möglichkeit von Mäusen gab. So sah die CD unwichtig aus, eingeklemmt zwischen Norah Jones und Alicia Keys und mit einer handgekritzelten Illustration auf dem Cover. Nur dass Molly Robins Kritzeleien kannte, und während jemand anderem die Buchstaben, die in der Zeichnung verborgen waren, entgangen wären, war das bei ihr nicht so.
Mein Buch
las sie, und ihr Herz setzte einen Schlag aus.
Sie eilte ins Arbeitszimmer und steckte die CD in ihren Computer. Wo sollte sie anfangen? Jeder Ordner hatte einen Namen und konzentrierte sich auf ein Ereignis in Robins
Leben. Die meisten bezogen sich auf Marathons, die sie gelaufen war, zum Beispiel
Boston
2005
, Austin
2007
, Tallahassee
2008
, und ein schneller Blick in jeden zeigte Einzelheiten über Training, Ereignisse vor dem Rennen und das Rennen selbst – dargeboten im selben trockenen Stil wie ihre früheren Tagebücher. Es gab andere Ordner für Reden, die auch nach Ort und Datum aufgelistet waren. Molly machte einige auf, doch sie hatte sie gehört. Sie hatte einige sogar selbst geschrieben.
Aber hier war etwas Neues, ein Ordner namens
Reden, die ich niemals halten werde
, und die Dateien darin waren einfach unglaublich – Titel wie
Warum ich meine Mutter hasse, Wettbewerb ist scheiße
und
Warum meine Schwester sich irrt
. Molly war sich nicht sicher, ob sie diese lesen wollte. Sie wusste, dass sie sich irrte; sie irrte sich die ganze Zeit.
Sie war sich auch nicht sicher, ob sie
Warum ich meine Mutter hasse
lesen wollte. Kathryn erfuhr im Moment ein so großes Leid, dass der Gedanke daran, dass Robin irgendetwas an ihr hasste, schrecklich war.
Wer bin ich?
Molly wollte diese Datei lesen, zusammen mit
Brauche ich einen Psychiater
?
Zuerst aber ging sie wieder zu den Ordnern zurück, denn da war eine unter den
Reden, die ich niemals halten werde
, die ihr auffiel.
Männer.
Vielleicht war es eine Gewohnheit. Mollys Einführung in die Welt der Verabredungen war durch heimliche Blicke in Robins Tagebücher erfolgt. Vielleicht war es reine Neugier oder weil sie etwas Leichtes wollte, bevor sie den schweren Kram in Angriff nahm, auf jeden Fall machte sie schnell den Ordner auf.
Darin befanden sich drei Dateien:
Nick Dukette, Adam Herman
und
Peter Santorum
. Robin hatte sich vor Nick mit Adam getroffen, doch Peter Santorum war ein neuer Name. Diesen klickte sie an.
Was macht man an dem Tag, an dem sich das Leben für immer verändert? , fing sie an zu lesen und war sofort gefangen.
Ein Anruf. Ein Anruf. Ich kann kaum glauben, dass ich überhaupt zu Hause war, als er kam. Ich bin doch nie zu Hause. Ich trainiere. Ich reise. Ich hänge in Snow Hill herum. Ich laufe ins Café für einen Latte und bleibe stundenlang dort, weil irgendjemand immer reden will. Woher wusste er also, dass ich an DIESEM Tag und um DIESE Zeit zu Hause sein würde?
Es ist ein Monat vor Boston, und ich gehe auf ein Acht-Meilen-Rennen. Ich mache mir Sorgen wegen der Achillessehne, also lockere ich mich draußen. Ich jogge
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