Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
herrschte Schweigen in der Küche. Alexia und Ken sahen einander an.
»Du h ättest Jenna vorbereiten müssen «, sagte Ken schließlich. »Mit Matthew ist das nämlich eine besondere Situation. Schwierig zu erklären. Also, geschieden oder verwitwet … Das trifft es nicht. Es ist kompliziert. Du musst wissen, dass …«
Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick klingelte es an der Haustür. Alexia sprang auf. »Sei einfach du selbst«, sagte sie. »Sei ganz normal!«
Sie lief zur Tür. Ich sah Ken an. »Ken …«
»Seine Frau ist verschwunden«, flüsterte Ken. »Unter mysteriösen Umständen. Vor zweieinhalb Jahren. Er hat nie wieder von ihr gehört. Sie ist vermutlich Opfer eines Verbrechens geworden, aber … man weiß es einfach nicht. Und das macht alles so schwierig, verstehst du?«
Er verließ die Küche, um seinen Freund zu begrüßen.
Ich folgte ihm langsam.
2
Ich war aus dem Alter heraus, in dem man überhaupt noch an Liebe auf den ersten Blick glaubt. Daran, dass plötzlich der Blitz einschlägt. Dass man einem völlig fremden Menschen tief in die Augen schaut und die verwandte Seele darin findet. Das hatte ich viele Jahre zuvor mit Garrett so erlebt – zumindest geglaubt, es zu erleben –, und nachdem es zwischen uns gründlich schiefgegangen war, hatte ich mir fest vorgenommen, mich nie wieder derart von meinen Gefühlen leiten zu lassen und dabei meinen Kopf zu vergessen.
Es war auch nicht so, dass ich Matthew Willard gesehen hätte und vom Donner gerührt gewesen wäre. Aber irgendetwas passierte, als ich ihm die Hand gab und ihn begrüßte, während Alexia uns einander vorstellte. Ich war nicht sofort heiß entflammt für ihn, aber er weckte mein Interesse, und ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Seitdem ich Garrett verlassen hatte, war dies das erste Mal, dass ich Lust gehabt hätte, mit einem Mann allein zu sein, in irgendeiner stillen Ecke zu sitzen, einen Wein zu trinken und alles über ihn zu erfahren. Und ihm von mir zu erzählen.
Von einer stillen Ecke waren wir natürlich weit entfernt. Wir saßen im unaufgeräumten, winzig kleinen Esszimmer der Reeces, vor dessen Heizung am Fenster Kinderwäsche auf einem Klappständer trocknete, und genossen das vorzügliche Essen, das Ken gekocht hatte. Alexia erzählte witzige Geschichten aus ihrem Leben, und zwischendurch erschien immer wieder eines ihrer Kinder, barfuß und im Pyjama, und behauptete, nicht schlafen zu können. Evan brauchte noch einen Becher warme Milch, die siebenjährige Kayla hatte Bauchweh, die fünfjährige Meg hatte einen schwarzen Mann in ihrem Zimmer gesehen. Alexia und Ken nahmen sich abwechselnd der Probleme an, brachten die Kinder nach oben, machten Milch warm und spähten unter das Bett, um zu beweisen, dass sich niemand dort versteckt hielt.
»Es ist anstrengend mit vier kleinen Kindern«, meinte Matthew, »aber bestimmt auch sehr schön.« Er sah traurig aus, als er das sagte.
Vielleicht ist es das, was mich so anzieht, dachte ich, diese Melancholie in seinem Gesicht. Und er sieht so abgekämpft aus.
Ich schätzte ihn auf Mitte vierzig, aber seine Augen wirkten in manchen Momenten älter, weil sie so müde waren.
»Habe ich schon erwähnt, dass Jenna erst seit Kurzem in meiner Redaktion arbeitet?«, fragte Alexia. »Und sie ist eine der Besten, die ich dort habe. Ein echter Glücksgriff.«
»Sie sind also Journalistin?«, fragte Matthew.
Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
Es war mir noch nie vorher wirklich peinlich gewesen zuzugeben, dass ich keine richtige Ausbildung hatte. Dass ich direkt nach meinem Schulabschluss von zu Hause weggegangen war und mich als Sängerin in einer Band versucht hatte, was an meinem fehlenden Talent gescheitert war. Dass ich mal dies und das gemacht hatte und schließlich in einer Musikagentur in Brighton gelandet war, wo ich mich um die Pressearbeit gekümmert hatte.
»Jenna hat in Brighton für eine renommierte Agentur gearbeitet«, sprang Alexia mir bei. »Nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten hat sie die Stadt verlassen, um über die Geschichte mit ihm hinwegzukommen, und zum Glück konnte ich ihr bei Healthcare etwas anbieten. Sie ist dort jetzt meine direkte Assistentin.«
»Ich verstehe«, sagte Matthew.
Von diesem Moment an war die Atmosphäre etwas verkrampft, denn nachdem Alexia meine traurige Trennung von Garrett erwähnt hatte, begriff auch Matthew Willard, zu welchem Zweck wir beide eingeladen worden waren, und das machte ihn
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