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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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geraten wollte.
    Aber einfach weggehen mochte er auch nicht. Garrett hatte nichts übrig für Kinder, hätte einem Kind aber niemals Schaden zugefügt, und unterlassene Hilfeleistung war nichts anderes. Er musste irgendwie in dieses Haus hineingelangen. Herausfinden, was los war, und dann die nächsten Schritte überlegen.
    Es war klar, dass er weder an der Haustür noch an der Verandatür hinten seinen Einbruchsversuch starten konnte, denn in beiden Fällen war das Risiko zu groß, dass er beobachtet wurde. Noch schlimmer, als selbst die Polizei zu rufen, wäre die Variante, dass die Polizei von anderen Leuten verständigt wurde, weil er gerade in das Haus einer Frau einzudringen versuchte, nach der seit Wochen verzweifelt und unter Hochdruck gesucht wurde. Einen Moment lang überkam ihn die Versuchung, alles auf sich beruhen zu lassen. Sich davonzumachen, wohin auch immer, und unter keinen Umständen das Risiko einzugehen, erneut in diese ganze unheilvolle Geschichte hineingezogen zu werden.
    Aber wenn ein Kind in echter Not war …
    Er betrat den Durchgang, spähte durch die Glasscheibe der Tür in das Innere der Küche. Gott, wie konnte man nur in so einer Unordnung hausen! Schmutziges Geschirr in Stapeln auf der Spüle, Bücher, Zeitschriften, Kataloge und DVD s auf sämtlichen Stühlen verteilt, Kinderspielzeug in allen Ecken, Kleidungsstücke in einem Wäschekorb, den man aus unerfindlichen Gründen auf dem Herd abgestellt hatte. Garrett verzog das Gesicht. Ken mochte als das leuchtende Beispiel in Sachen praktizierte Partnerschaft gelten, im Griff hatte er die ganze Sache jedenfalls nicht.
    Er zog seinen Pullover über den Kopf, umwickelte seine rechte Faust damit, zerschlug die Glasscheibe. Es war ziemlich laut, als die Splitter auf den Küchenboden krachten. Er hielt den Atem an. Falls das einer der Nachbarn gehört hatte, wusste er das Geräusch hoffentlich nicht einzuordnen.
    Er griff durch die entstandene Öffnung, drehte den Schlüssel um und trat ein. Er mochte den Geruch nicht, der in diesem Haus herrschte. Er mochte auf Anhieb gar nichts an diesem Haus, so wenig, wie er Alexia und Kendal Reece je gemocht hatte. In selbstkritischen Momenten früher hatte er sich gesagt, dass er natürlich alles andere als objektiv war. Jenna hatte zu oft von dem vollkommenen Glück dieser Freunde geschwärmt, ihn zu oft auf mehr oder weniger subtile Weise wissen lassen, dass auch sie sich ein solches Leben wünschte, mit Heirat und vielen Kindern und einem Häuschen am Stadtrand – alles Dinge, bei denen es Garrett kalt den Rücken hinunterlief, wenn er daran dachte. Die Ursache des Anfangs vom Ende seiner Beziehung zu Jenna war im Grunde die Familie Reece gewesen, genau genommen Jennas Bewunderung für deren Lebensmodell. Aber jetzt, in dieser Küche, in diesem schmuddeligen Chaos eines Hauses, das von zu vielen Menschen bewohnt und zu selten gelüftet wurde, begriff Garrett, dass er die Reeces nicht nur deshalb abgelehnt hatte, weil sie das ohnehin komplizierte Gefüge zwischen ihm und Jenna endgültig destabilisiert hatten. Er fand, dass ihnen etwas Krankes anhaftete, und er hatte das schon damals bei seiner ersten und einzigen Begegnung mit ihnen gespürt. Sie waren nicht die netten Chaoten, deren Leben im fröhlichen Trubel dahinplätscherte. Sie waren Menschen, die ihr Leben von Grund auf nicht in den Griff bekamen, die ihrer Umwelt aber ein völlig anderes Bild zu vermitteln suchten. Garrett war sich sicher. Es verwunderte ihn, dass Jenna auf diesem Auge stets so blind gewesen war.
    Er durchquerte die Küche und trat in den Flur hinaus. An der Garderobe hingen dermaßen viele Mäntel und Jacken und Regencapes übereinander, dass es ihm Probleme bereitete, daran vorbeizukommen. Abgesehen davon, dass man über unzählige Schuhe stolperte, die über den Boden verstreut lagen. Garrett blieb an der Treppe stehen und lauschte nach oben. Er hörte nichts.
    Sicherheitshalber blickte er in das Wohnzimmer und in das Esszimmer hinein, aber dort war niemand. Leise rief er: »Jenna?«, aber er erwartete nicht wirklich eine Antwort. Es würde ihm nichts übrig bleiben, als nach oben zu gehen und nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Er hatte wenig Lust dazu, aber er hatte sich bereits zu weit vorgewagt, um jetzt noch einen Rückzieher machen zu können.
    Langsam stieg er die Treppe hinauf. Hier oben gab es ebenfalls einen schmalen Flur, von dem vier Türen abgingen. Zwei standen offen. Garrett blickte in die Räume. Er

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