In den Klauen des Löwen
sich um. Thorwaldsen schüttelte den Kopf.
»Ich bin kerngesund. Zählen Sie noch mal!«
»Vielleicht haben Sie einen faulen Zahn? Das genügt.«
»Machen Sie jetzt keine faulen Witze, Doc!« Thorwaldsen ballte die Fäuste. »Corinna liegt hier im Sterben, und Sie zählen seelenruhig meine Leukozyten! Man sollte Ihnen doch den Schädel einschlagen!«
»Sie haben Blutgruppe A!« Malanga schüttelte die Röhrchen und stellte sie dann in den Ständer zurück. »Ich auch!«
»Und Ihre Leukozyten?« fauchte Thorwaldsen. »Vielleicht haben Sie eine vereiterte Mandel?«
»Ich werde es nachher auch untersuchen.« Malanga kam zu Corinna zurück, entnahm ihr auch Blut und untersuchte es. Thorwaldsen hielt den Atem an. Wenn sie jetzt B oder 0 hat, ist sie verloren, dachte er und fühlte, wie sein Herz brannte. Warum muß ich auch A haben? Alles ist jetzt wie verhext.
»Auch A!« sagte Malanga von seinem improvisierten Labortisch her. »Welch ein Glück. Wenn alles andere gutgeht, kann sie gerettet werden.«
»Was ist denn noch so gefährlich?« rief Thorwaldsen. Corinna hatte sich in ihrer Ohnmacht bewegt. Ihre Haut zuckte und zog sich zusammen. »Himmel noch mal!« schrie Thorwaldsen. »Sie friert! Bei dem Fieber und 35 Grad Außentemperatur! Was ist das, Doc?«
»Ein Kreislaufkollaps … er ist gleich vorbei.« Malanga gab Corinna noch eine Injektion und deckte sie mit einem großen Handtuch zu. Dann zog er abermals eine Spritze auf, einen großen Glasbehälter mit einer farblosen Flüssigkeit. Als er die Nadel in die linke Armvene stoßen wollte, hielt Thorwaldsen Malangas Hand fest.
»Sie pumpen das Mädchen voll«, sagte er rauh. »Muß das sein? Seit einer halben Stunde vollführen Sie hier einen Zauber wie einer Ihrer Medizinmänner! Aber etwas Wirksames sehe ich nicht! Sagen Sie die Wahrheit: Ist ihr noch zu helfen?«
»Ja, wenn Sie den Mund halten und mich in Ruhe lassen!« sagte Malanga hart. Er riß seine Hand los, stieß die Nadel ein und injizierte ganz, ganz langsam das Calcium, das einzige, was er jetzt noch tun konnte – bis auf die Operation. Thorwaldsen knirschte wieder mit den Zähnen.
»Das merke ich mir«, sagte er rauh. »Dafür bekommen Sie eins zwischen die Augen, wenn Corinna wieder gesund ist! Verdammt noch mal!«
Es dauerte etwa zehn Minuten, in denen Malanga alles für die Operation vorbereitete, als Corinna aus ihrer Bewußtlosigkeit erwachte.
»Sie ist wieder da!« brüllte Thorwaldsen, der neben ihr im Gras saß und mit einem Handtuch die Mücken und Fliegen von Corinnas Körper wegwedelte. »Corinna, Mädchen, hörst du mich? Kleines …« Er beugte sich über sie und tätschelte ihr die glühendheißen Wangen. »Erkennst du mich? Mädchen, was machst du uns Sorgen!«
»Ich wollte das alles doch nicht …« Corinnas Stimme war noch weit weg, aber ihre Augen erkannten alles um sie herum. Sie sah Malanga an, der sich neben ihr auf die Knie ließ, dann wandte sie den Kopf zu Thorwaldsen und lächelte auch ihn an. Ihre Hände glitten langsam über ihren nackten Leib.
»Es mußte sein, Miß Sander«, sagte Malanga. »Ich wußte ja nicht, was Sie …«
»Ist es schlimm?« flüsterte sie.
»Sie wissen, was Sie haben?«
»Ich ahne es. Der Riß im Bein … es war vor vier Tagen bei der Mittagsrast … Ein Dornenstrauch … Ich habe nicht gedacht, daß es so wichtig ist … Ich wollte die Fahrt nicht unterbrechen … Und dann wurde das Bein dick … ich bekam Fieber … Aber wir müssen ja weiter … wir haben ja keine Zeit, krank zu sein …« Erschöpft schwieg Corinna. Thorwaldsen war weggerannt und kam mit einer Büchse Fruchtsaft wieder. Es war der säuerliche, erfrischende Saft der in Kenia wachsenden Passionsfrucht. Gierig trank Corinna ein paar Schlucke, bis Malanga sanft, aber unnachgiebig ihr die Büchse aus der Hand nahm.
»Wir müssen jetzt ganz vernünftig sein«, sagte Malanga und strich Corinna über die schweißnassen Haare. »Und Zeit haben wir auch. Viel Zeit sogar.«
»Robert und Gisela …«, stammelte Corinna. »Wenn sie noch leben …«
»Zunächst müssen Sie weiterleben!« Malanga sagte es ganz klar, obwohl er von dem hinter ihm stehenden Thorwaldsen einen Stoß in den Rücken bekam. »Sie müssen die volle Wahrheit kennen, Miß Sander. Die Dornen – ich weiß nicht, welch ein Strauch es war – müssen Gift in Ihre Blutbahn gebracht haben. Daß Sie noch leben, ist fast ein Wunder. Wie fühlen Sie sich?«
»Schlapp, unendlich müde … und das Bein ist kalt,
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