Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
meinerseits würde von der
    Ausgabe abgeraten haben.«
    Herr v. Grubeck wechselte abermals einen er-
    staunten Blick mit seiner Tochter, die berechtigten
    Grund hatte, im allgemeinen sich selbst für den
    sparsameren und unnötige Ausgaben unterdrücken-
    den Teil des Wellkampschen Haushaltes zu halten.
    »Die Ausgabe ist ja minimal, und –«
    Wellkamp unterbrach seinen Schwiegervater mit
    einer heftigen Bewegung und nahm, ohne nur die
    Unschicklichkeit und Lächerlichkeit seines Gebah-
    rens zu fühlen, einen neuen Anlauf. Es war ihm
    plötzlich die Idee gekommen, die Situation für sei-
    nen längst gehegten Vorsatz auszunutzen. Er konnte
    jetzt endlich erfahren, ob dieser versteckte alte Mann
    etwas wußte oder nicht.
    »Wenn die Ausgabe«, sagte er mit absichtlich be-
    leidigendem Tone, »durchaus gemacht werden
    mußte, so konnte man vielleicht, statt den Vorhang
    anzubringen, noch summarischer gleich das Loch
    vermauern. Das Spionieren, das diese bequeme Ver-
    bindung mit sich zu bringen scheint, würde dann
    wohl vermieden werden.«
    Seine Erregung war nur noch künstlich während
    202
    dieser Worte, deren Wirkung er, innerlich ganz er-
    nüchtert, beobachtete.
    Indes schienen die Worte selbst ohne besonderen
    Eindruck zu bleiben. Es war mehr die Art, wie sie
    gesprochen, die den Major irritierte.
    »Ich finde, daß Sie da einen Ton –«
    Anna legte dem nun seinerseits sich erhitzenden
    alten Herrn von hinten sanft die Hand auf die Schul-
    ter und zog ihn bei Seite, während sie ihrem Gatten
    ein bittendes, wiewohl energisches Zeichen gab, den
    unerquicklichen Auftritt durch seine Entfernung zu
    beendigen.
    Wellkamp fand es gut, dem Winke nachzugeben,
    worin er seiner, durch jene seltsame nervöse An-
    spannung in zugespitzten Situationen bewirkten
    Geistesgegenwart folgte. Mit wenigen raschen und
    lauten Schritten eilte er durch den ersten Raum sei-
    ner eigenen Wohnung, wie wenn er ihn durch den
    jenseitigen Ausgang sogleich wieder verließe, um
    dann plötzlich, mit höchster Vorsicht und alle Sinne
    angestrengt, an die nur angelehnte Thür zurückzu-
    schleichen, hinter der er den Major leise reden hörte.
    »Was mag er nur haben? Seine Stimmung wird im-
    mer unerträglicher.«
    Anna suchte ihren noch ziemlich erregten Vater
    zu beruhigen.
    »Er ist so nervös, weißt Du; man muß ihm einiges
    nachsehen«, sagte sie und setzte hastig, wie um den
    Alten nicht zu Worte kommen zu lassen, hinzu:
    203
    »Ich glaube nämlich schon seit einiger Zeit, daß er
    zu sehr an Aufenthaltsveränderungen gewöhnt ist,
    um ununterbrochen hier bleiben zu mögen. Die
    Aussicht, auf Jahre hinaus hier still zu liegen, macht
    ihn ungeduldig, und er scheut sich, besonders Dei-
    netwegen, es einzugestehen. Du sollst einmal sehen,
    daß sich das ändern wird, wenn ich ihm gelegentlich
    eine längere Reise vorschlage; wir könnten sie viel-
    leicht gleich mit Beginn der bessern Jahreszeit antre-
    ten. Bis dahin«, wiederholte sie in leise bittendem
    Tone, »müssen wir ihm schon noch einiges nach-
    sehen.«
    »Das thun wir seit langem« brummte der alte
    Herr, »aber sein Betragen sieht ja jetzt bald nach
    Verfolgungswahnsinn aus. Was meinte er von spio-
    nieren? Sprach er nicht davon?«
    »Alter Narr!« dachte Wellkamp, während er die
    Beiden sich drüben entfernen hörte.
    Das Erhorchte hatte natürlicherweise seiner Un-
    ruhe ein entschiedenes Ende gemacht. Die Gereizt-
    heit der letzten Zeit war vorläufig an ihm gänzlich
    verschwunden. Statt dessen nahm er als Verkehrston
    mit seinem Schwiegervater eine überlegte, kühle
    Höflichkeit an, während er seine Gattin so viel wie
    möglich unbeachtet ließ, wie um ihr seine Unzufrie-
    denheit zu bezeigen. Es ist wahr, daß ihm das teils Lä-
    cherliche, teils Empörende seines Verhaltens nicht
    völlig entging. Nur gelang es fürs erste noch, sich
    über seine innere Demütigung mit der selbstsüchti-
    204
    gen Kraft seiner Leidenschaft hinwegzusetzen. Wenn
    von einer glücklichen Folge jenes beschämenden
    Auftrittes geredet werden konnte, so war es die, daß
    wenigstens für eine geringe Frist der schmerzliche
    Verfall, dem Doras und Wellkamps Verhältnis ent-
    gegenging, aufgehalten ward. Während dieses Still-
    standes schien äußerlich ihre erste Intimität unbe-
    schränkt wiederhergestellt. Wodurch nur war sie
    zuerst angegriffen worden? Wenn schon der Keim der
    Auflösung, der unausrottbar allen diesen Verbindun-
    gen innewohnt, irgendwo zum Ausbruch kommen
    mußte,

Weitere Kostenlose Bücher