In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
einer nahezu feierlichen Miene. »Bitte sehr! Viele Stunden ungetrübtes Glück!«
»Ähm, Sie wollen sie nicht lieber selber behalten?«, fragte ich, aber Frau Karthaus-Kürten sagte: »Nein, ich mache mir selbst welche, das hier sind Ihre. Mindestens zehn Sachen müssen Sie bis zum nächsten Mal umgesetzt haben – das ist Pflicht.«
Als ich dem Apotheker die Kärtchen zeigte, war er sofort bereit, mitzuspielen. Albern vor sich hinglucksend las er sich Frau Karthaus-Kürtens Glücklichmacher durch. »Au ja, wir gehen ins Kino und freuen uns, dass du Ähnlichkeit mit UmaThurman hast. Oder, nee, das ist noch besser. Wir gehen mit dem Kind – ups, welches Kind? – in den Zoo und schauen uns die jungen Elefanten an. Und danach räumen wir die Garage auf. Yeah! Oder, nein – bei dem Wetter bleiben wir lieber bei einem Glas Rotwein zu Hause vor dem Kachelofen und massieren uns die Füße. Und anschließend haben wir richtig guten Versöhnungssex.«
»Hast du einen Kachelofen?«
»Nein, leider nicht. Aber sehr guten Rotwein. Und für Versöhnungssex müssten wir uns natürlich erst mal richtig streiten.«
Vor allem müsstest du dazu nicht schwul sein , dachte ich durchaus ein wenig bedauernd. Sex begann mir zu fehlen – ich hatte es Frau Karthaus-Kürten noch nicht anvertraut (sie war ja nur meine Therapeutin), aber dafür Mimi.
»Natürlich fehlt es dir«, sagte Mimi. »Sex ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Ich persönlich werde es noch brauchen, wenn ich hundert bin. Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass man es eine Weile vollkommen vergessen kann, wenn man ein Baby hat. Und ich gebe zu, Sex ist auch nicht wirklich prickelnd, wenn man die ganze Zeit denkt, man könne seinen Partner vollkotzen.«
Arme Mimi, die meiste Zeit war sie nun damit beschäftigt, sich nicht zu übergeben, und natürlich war ihr Zustand ihren Freundinnen im Laden nicht verborgen geblieben.
»Es ist nur ein Magen-Darm-Infekt«, hatte Mimi gesagt und mit Blick auf Trudis Baby hinzugefügt. »Ein nicht ansteckender Infekt.«
»Unsinn«, hatte Trudi erwidert. »Du bist schwanger! Deine Brüste sind doppelt so dick wie sonst.«
Ich saß auf dem roten Sofa, probierte ein Paar Santinis aus der neuen Frühjahrskollektion an und verkniff mir ein Grinsen.
»Das ist ein Push-up-BH «, sagte Mimi.
»Ach, komm schon, Mimi, wir wissen es!«, sagte Constanze. »Ich habe gesehen, wie du zehn Schwangerschaftstests beim Apotheker gekauft hast. Und ich sehe dich immer lächeln, wenn du vom Klo kommst.«
»Wir wollen uns doch nur mit dir freuen!«, sagte Trudi.
»Mit mir? Ich freue mich aber nicht«, sagte Mimi. »Wenn ihr es irgendjemandem sagt, dann bringe ich euch um. Ich weiß noch zu gut, wie es war, als ich Nina-Louise verloren habe. Ich habe keine Lust, mir das Beileidsgetue von Hinz und Kunz noch einmal anzutun. Ist das klar?«
»Glasklar«, sagte Trudi. »Oh, du kannst alle meine Babysachen haben …«
»Nein, nein, nein!« Mimi stemmte ihre Hände in die Hüften. »Kein Babygerede, absolut keins. Wir tun so, als wäre es nicht da, kapiert?«
»Und wie lange?«
»Bis es da ist. Wenn es denn jemals kommt, meine ich.«
»Natürlich wird …«
»Maul halten!!«, schrie Mimi. »Habt ihr es denn immer noch nicht verstanden?«
»Doch, doch«, versicherten ihre Freundinnen. Aber schon am nächsten Tag – ich war zufällig wieder im Laden, weil ich mich nicht zwischen einem braunen und einem schwarzen Paar Schuhe hatte entscheiden können – brachte Constanze eine zweistöckige Torte mit, die zur Hälfte mit hellblauem und zur anderen Hälfte mit rosafarbenem Zuckerguss übergossen worden war. Darauf stand mit weißer Schrift: »It’s a baby!«
Als sie Mimis Gesicht sah, fürchtete Constanze wohl, die Torte – ein lockerer Bisquit-Traum mit Wald- und Himbeercremefüllung – könne an die Wand geschleudert werden, denn sie sagte schnell: »Das ist nicht für dein Baby – das ist für, äh, ein anderes Baby.«
»Ach ja, und für welches?«, fragte Mimi drohend.
»Na – meins.«
»Du bist schwanger?«
Constanze hielt die Torte weit nach oben, außer Mimis Reichweite. »Noch nicht – aber Anton und ich haben heute beschlossen, nicht mehr zu verhüten und das Schicksal herauszufordern.«
»Also gibt es gar kein anderes Baby, für das diese Torte ist?« Mimi hatte ihre Augen zusammengekniffen und versuchte, gefährlich auszusehen.
»Das kann man so nicht sagen – heute Nacht hatten wir vollkommen ungeschützten
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