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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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Haken. Das Notizbuch ließ sie in ihre Handtasche gleiten.
    »Ich möchte Sie deshalb alle bitten, Ihre Heimreise zu verschieben und noch ein paar Tage in Longyearbyen zu bleiben, bis wir mit den Untersuchungen zu Erland Stolts Tod weiter sind.« Der Gouverneur lehnte gegen die Tischkante, die Füße nach vorne gestreckt, die Arme locker abgestützt. Schräg versetzt flankierte ihn die Polizistin, die am Morgen beim Frühstück auf der »Noorderlicht« gewesen war. Unter ihrem Arm klemmte der Scooterhelm; der Schnee auf der Innenseite ihrer Hosenbeine war noch nicht ganz geschmolzen. Von einer Seitenwand des für die kleine Gruppe viel zu großen Konferenzsaals musterte ein weiterer Polizist die Versammelten.
    »Kann er das denn verlangen?«, zischte Tanja ihrem Mann ins Ohr. Kirsten saß direkt hinter Hartmut, sonst hätte sie kaum bemerkt, wie dieser die Schultern ein Stück nach oben zog, mehr Ablehnung denn Antwort. Hartmut war Jurist; ihn jetzt ausnahmsweise einmal schweigen zu sehen schien bizarr genug, dabei war Tanja nicht die Einzige, die darauf wartete, dass er das Wort ergriff. Auch Peter und Elisabeth wandten sich ihm zu.
    Hartmut räusperte sich. »Herr Gouverneur, ich weiß nicht, ob Sie das wissen können, aber hier auf Spitzbergen ist ein Großteil der Leitungsebene des Bankhauses Warthenberg versammelt. Fredrik Stolt, Peter Domhoff und ich, wir waren schon zu lange fort. Unsere Mitarbeiter, unsere Kunden erwarten uns spätestens morgen zurück. Und was unsere Frauen anbelangt, auch sie haben Verpflichtungen.«
    »Ich verstehe Ihr Anliegen sehr gut, Herr Warthenberg. Ich bin mir bewusst, dass dies schwer für Sie sein muss.«
    Peter fragte: »Ist eine solche Vorgehensweise denn nötig bei einem Unfall?«
    »Wir wissen noch nicht sicher, was geschehen ist. Was wir wissen, ist, dass es sich um ein Unglück mit Waffe handelt, und damit gehen automatisch Verdachtsmomente einher. Das müssen Sie nicht persönlich nehmen, das ist unser Job.«
    »Sie wollen andeuten, jemand von uns könnte Schuld an Erlands Tod tragen?«
    »Ich stelle überhaupt keine Behauptungen auf, solange wir nicht alle Fakten kennen, Herr Domhoff. Tatsache ist, dass Erland Stolts Bruder, Kristoffer Stolt, ebenfalls vor ein paar Monaten auf Svalbard den Tod gefunden hat. Deshalb würden wir es sehr begrüßen, wenn Sie vor Ort bleiben und uns unterstützen könnten.«
    »Aber Sie können uns nicht festhalten und daran hindern, zurück nach Deutschland zu reisen?«
    »In diesem Falle möchten wir umgehend mit einem Botschaftsvertreter sprechen«, schob Elisabeth nach.
    »Sie können den deutschen Botschafter in Oslo jederzeit anrufen, meine Dame. Auf Spitzbergen gibt es keinen Vertreter. Und nein, Herr Domhoff, wir können Sie hier nicht gegen Ihren Willen festhalten, und das wollen wir auch nicht. Aber ich zähle fest auf Ihre Mithilfe. Ihr Interesse, dieses tragische Unglück aufzuklären, ist sicherlich genauso groß wie unseres.« Der Sysselmann machte eine Pause, die keiner füllte. Er fuhr fort: »Meine Leute werden also heute noch wie angekündigt Fingerabdrücke von Ihnen allen nehmen, das wird nicht viel Ihrer Zeit beanspruchen. Wir möchten ebenfalls heute noch mit Hartmut Warthenberg, Kirsten Stolt und Tobias Warthenberg sprechen. Mit allen anderen werden wir morgen Vormittag weitermachen; es ist spät, und Sie sind bestimmt sehr mitgenommen. Haben Sie noch Fragen?«
    »Was geschieht mit Erlands Leiche?« Das war Tobias.
    »Erland Stolts Leiche wird zur rechtsmedizinischen Untersuchung nach Tromsø überführt werden.«
    Zum zweiten Mal schaute Kirsten aus dem Gebäude des Gouverneurs von Svalbard durch die Fenster über den Fjord und die vordersten Bauten Longyearbyens. Diesmal befand sie sich nicht im Zimmer des Sysselmanns, sondern in einem kleineren Büro mit nur einem Schreibtisch an der Wand und einem Besucherstuhl. Draußen im Flur gingen die Mitarbeiter nach Hause, es war Feierabend, doch Kirsten hatte Glück: Eine Angestellte hatte ihre kleine Tochter dabei, und so spielte Jonas nun in der Kantine mit einer sechs Jahre alten Norwegerin mit blonden Engelslocken und runden hellblauen Augen. Jonas hatte sich sofort verliebt. Von Zeit zu Zeit konnte Kirsten die beiden kreischen hören.
    Die Tür des Büros stand offen. Irgendwo in einem der anderen Zimmer wartete Hartmut, während sein Sohn verhört wurde. Kirsten warf einen Blick auf die Uhr. Sie saß nun seit vierzehn Minuten auf diesem Stuhl. Das Zimmer war weiß

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