Insel der Verlorenen Roman
ich wirklich Ruhe. Die Muse hat gerufen, und ich habe ein neues Thema, über das es zu schreiben gilt.«
Die ersten Stammkunden trafen zum Mittagessen ein, und die Schar der Neugierigen, die wissen wollten, was in Vetter James’ Arzneimittellager geschehen war, wurde immer größer. Richard beschloss, Mr Thistlethwaites Vorschlag zu folgen. Mit einer Sattelpistole in der einen und einem Dutzend Papierkartuschen in der anderen Manteltasche geleitete er Ann Morgan und ihre beiden bedrückend hässlichen Töchter zu ihrem stattlichen Haus in St. James’s Barton zurück. Dort nahm er auf einem Stuhl in der Diele Platz, um etwaige Brandstifter zu vertreiben.
Innerhalb von zwei Tagen, von Donnerstag bis Samstag, steigerte sich ganz Bristol in eine haltlose Panik hinein. Zusätzliche Polizisten patrouillierten durch die Straßen. Die Laternen der wenigen Viertel, die das Glück hatten, über eine Straßenbeleuchtung zu verfügen, wurden um fünf Uhr nachmittags angezündet, und die Anzünder kletterten zu den Laternen hinauf, um die Ölvorräte aufzufüllen, was sie sonst nur selten taten. Die Menschen eilten früh nach Hause und verfluchten den Winter, jene Jahreszeit, in der der Rauch der Holzfeuer die Luft erfüllte. Kaum jemand schlief in jener Samstagnacht.
Am 19. Januar, einem Sonntag, waren die Kirchen der Stadt von Whitesons Bethaus über Wesleys Versammlungshaus bis zur Mayor’s-Kapelle in College Green zum Bersten voll. Bristol beherbergte seit je Scharen ernsthafter Kirchgänger aller Spielarten des Protestantismus, aber an jenem besonderen Sonntag waren außer den Juden alle auf den Beinen, um Gott zu bitten, er möge sich gnädig zeigen und den teuflischen Brandstifter seiner gerechten Strafe zuführen. Vetter James, der Kirchenmann, ein exzellenter Prediger selbst dann, wenn er nicht in Hochform war, gab an diesem
Tag sein Bestes. Einige Gemeindemitglieder von St. James sprachen danach erschrocken von eindeutig jesuitischen Gedanken, andere waren über seine methodistischen Argumente entsetzt.
»Was mich angeht«, sagte Dick, daraufhin angesprochen, »so ist mir völlig egal, ob der Pfarrer jesuitisch oder methodistisch argumentiert. Wenn wir ruhig in unseren Betten schlafen wollen, dann muss der Brandstifter zuvor mit den Füßen zappeln und dabei den Hals in der Schlinge haben.«
»Die Steadfast Society gibt den amerikanischen Kolonisten die Schuld.«
»Wenig wahrscheinlich! Die amerikanischen Kolonisten sehen eher wie die Opfer aus.« Damit war das Thema für Dick erledigt.
In den frühen Morgenstunden der Nacht zum Montag fuhr Richard aus einem unruhigen Schlummer hoch.
»Papa!«, rief der kleine William Henry laut. »Papa!«
Richard sprang aus dem Bett, nahm eine Kerze aus der Zunderbüchse, zündete sie an und beugte sich mit klopfendem Herzen über das Kind, das aufrecht in seinem Bett dasaß. »Was ist los, William Henry?«, flüsterte er.
»Feuer«, sagte William Henry klar und deutlich.
Nur Richards Besessenheit mit der Gesundheit seines Sohnes konnte seinen Geruchssinn blockiert haben - der Raum war voller Rauch. In Notfällen handelte Richard stets geschickt und schnell. Er fuhr in seine Kleider und Stiefel und weckte seinen Vater mit lauten Rufen. Fertig angezogen, rannte er die Treppe hinunter, ohne auf Dick zu warten, griff nach zwei Eimern, entriegelte die Wirtshaustür und wäre fast auf dem Pflaster ausgerutscht, das durch einen leichten Nieselregen glitschig geworden war. Er bog in die Bell Lane ein und blieb entgeistert stehen. Der Lagerhauskomplex von Lewsley & Co. stand in hellen Flammen. Das Feuer schlug bereits durch Lücken in den Schieferdächern. Die enge, schmutzige Gasse war in zuckendes Rot getaucht, ein Brausen und Zischen erfüllte die Luft. Die spanische Wolle, das Getreide und die Olivenölfässer nährten das Feuer besser als Werg und Terpentin.
Mit Eimern bewaffnete Männer kamen von überall herbeigeeilt, lange Ketten bildeten sich vom Froom bis zum Lagerhaus. Die Flut hatte noch nicht den Höchststand erreicht, aber es war genug Wasser da. Die Eimer wurden gefüllt und von Hand zu Hand weitergegeben. In den folgenden drei Stunden arbeiteten die Männer so hart, wie sie noch nie gearbeitet hatten. Zum Glück konnte das Feuer auf Lewsley & Co. und ein halbes Dutzend alter Mietshäuser begrenzt werden. Der direkt daneben gelegene Komplex von Vetter James blieb völlig unbeschädigt. Niemand kam ums Leben. Offenbar war es dem Brandstifter wichtiger, Eigentum zu
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