Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
Nebengebäude aus ortsüblichem Kalkstein aufzuweisen, dazu einen schlammigen Hof und einen bellenden Kettenhund. Selbstredend verströmten die Stallungen das unverkennbare Bauernhofaroma. Calvin Soames öffnete die Tür und ließ Banks mit einem ziemlich mürrischen »Guten Tag« herein. Innen war es dunkel - tiefe Holzbalken und düstere Flure. Der Geruch von Rinderbraten hing in der Luft.
»Unsere Kelly ist in der Küche«, sagte er und wies mit dem Daumen hinter sich.
»Schon gut«, sagte Banks. »Eigentlich wollte ich heute mit Ihnen reden.«
»Mit mir? Ich habe Ihnen letztens schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Das glaube ich Ihnen«, sagte Banks, »aber manchmal fällt einem doch noch etwas ein, was man vielleicht vergessen hat. Darf ich mich setzen?«
»Ja, na los.«
Banks nahm in einem tiefen Sessel mit durchhängender Sitzfläche Platz. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, fiel ihm auf, dass das gesamte Haus in schlechtem Zustand war und ihm das fehlte, was man früher eine »weibliche Hand« nannte. »Gibt es keine Mrs. Soames?«, fragte er.
»Meine Frau ist vor fünf Jahren gestorben. Komplikationen nach einer Operation.« Die letzten Worte spie Soames geradezu aus. Banks wurde klar, dass Soames den Ärzten oder dem Gesundheitssystem die Schuld am frühzeitigen Tod seiner Frau gab.
»Das tut mir leid«, sagte Banks.
Soames brummte. Er war ein kleiner, untersetzter Kerl, fast so breit wie hoch, aber kräftig und gesund. Er trug eine enge Weste über seinem Hemd, dazu eine weite braune Hose. Wahrscheinlich war er höchstens fünfundvierzig, aber das Leben auf dem Bauernhof hatte ihn altern lassen. Man sah es an den tiefen Falten und der ledrigen Haut seines geröteten Gesichts.
»Hören Sie«, fuhr Banks fort. »Ich möchte nur noch mal mit Ihnen durchgehen, was Sie uns am Freitag im Pub erzählt haben.«
»Das war die Wahrheit.«
»Das bezweifelt niemand. Sie sagten, Sie hätten das Cross Keys gegen sieben Uhr verlassen, weil Sie dachten, Sie hätten den Gasherd angelassen.«
»Genau.«
»Ist Ihnen das schon öfter passiert?«
»Allerdings«, sagte eine Stimme in der Tür. »Zweimal hat er fast das ganze Haus abgefackelt.«
Banks drehte sich um. Hinter ihm stand Kelly Soames. Sie hatte die Arme verschränkt und die Hüfte in der blauen Jeans grazil gegen den Türrahmen gelehnt. Man konnte ihren flachen Bauch sehen. Sie war ein hübsches Mädchen, dachte Banks erneut; bei The Streets würde es heißen: Sie war eine Bitch, und sie wusste es. An diesem Vormittag wurde er mit hübschen Mädchen geradezu verwöhnt, da auch Brian mit seiner Emilia aufgetaucht war.
Hätte er etwas sagen sollen? Brian und Emilia schienen davon auszugehen, dass sie unter seinem Dach zusammen schlafen konnten, aber Banks wusste nicht genau, was er davon halten sollte. Sein eigener Sohn! Was war, wenn er die beiden hörte? Aber wie hätte er sonst reagieren sollen? Ein Problem daraus machen? Seine Eltern hätten so etwas natürlich niemals geduldet. Aber die Welt änderte sich. Als Banks jung war, hatte er sein Elternhaus verlassen und war in eine Wohnung nach London gezogen, damit er mit Mädchen schlafen, lange ausgehen und trinken konnte. Heutzutage erlaubten Eltern ihren Kindern all das zu Hause, so hatten sie keinen Grund zum Ausziehen; sie konnten so viel Sex haben, wie sie wollten, konnten betrunken nach Hause kommen und bekamen trotzdem ihr Essen vorgesetzt und die Kleidung gewaschen. Aber Brian war nur zu Besuch da. Es war doch wohl das Beste, ihn und Emilia so leben zu lassen, wie sie es gewöhnt waren, oder? Banks konnte sich vorstellen, wie die Stimmung kippen würde, wenn er als Autoritätsperson aufträte und sagte: »Nicht unter meinem Dach!« Doch irgendwie war ihm bei der ganzen Sache unbehaglich zumute.
Trotz ihres großspurigen Auftretens wirkte Kelly Soames nervös, fand Banks. Das wunderte ihn nicht, denn Annie hatte ihm schließlich von ihren Heldentaten erzählt. Kelly hatte bestimmt Angst, dass er ihrem Vater gegenüber etwas durchsickern lassen würde.
»Kelly«, sagte Mr. Soames, »mach Mr. Banks hier doch einen Tee. Auch wenn er von der Polizei ist, müssen wir ihn wie einen Gast behandeln.«
»Nein, danke, schon gut«, sagte Banks. »Ich habe heute Morgen schon viel zu viel Kaffee getrunken.«
»Wie Sie möchten. Aber ich trinke eine Tasse, Mädchen.«
Kelly schlurfte davon, um den
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