Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
- ob Sie's glauben oder nicht - Opportunity: ›Gelegenheit‹! Ein verwanztes Kaff an der Grenze zwischen Idaho und Washington. Dort habe ich den Trucker kennen gelernt, Fat Boy. Ich hab nie erfahren, wie er wirklich hieß; ich glaube, selbst der Ausweis, den er bei sich hatte, war gefälscht.«
»Was stand denn im Ausweis für ein Name?«
Oakes ignorierte die Frage. »Fat Boy hatte so eine fixe Idee von wegen einer Regierungsverschwörung, erzählte mir, immer wenn er auf Fernfahrt ging, würde er sein Haus verminen. Er sagte, Trucker bekämen ein echt gutes Bild von der Welt - womit er die USA meinte - und davon ein echt gutes Bild von hinter dem Lenkrad eines Trucks. Er war davon überzeugt, dass ein Trucker einen verdammt guten Präsidenten abgeben würde.
Das war also Fat Boy. So hab ich ihn kennen gelernt. In Opportunity, Washington. Gibt 'n Haufen solcher Namen in den Staaten. Auch 'n Haufen Fat Boys. Wir plauderten so und kamen auf Mord zu sprechen. Das Radio lief, und jeder zweite Sender hatte irgendwas von einer ungesetzlichen Tötung‹ zu melden. Er sagte, ›ungesetzlich‹ sei eine unzutreffende Bezeichnung. Es gebe ›falsche‹ und ›richtige‹ Tötungen, und was jeweils was sei, liege ausschließlich am beteiligten Individuum, nicht am Gesetzgeber.«
»Und zu welcher Sorte gehörten Ihre?«
Oakes mochte es nicht, wenn man ihn in seinem Erzählfluss unterbrach. »Ich rede von Fat Boy, nicht von mir.«
»Wie lang waren Sie mit ihm unterwegs?« Stevens versuchte, die Chronologie auf die Reihe zu bekommen.
»Drei, vier Tage lang. Wir fuhren nach Süden, um was abzuliefern, dann wieder rauf zur 1-90.«
»Was hatte er geladen?«
»Elektrogeräte. Er arbeitete für General Electric. War deswegen ständig auf Achse. Er sagte, das sei praktisch für sein Hobby. Sein Hobby war, Leute umzubringen.« Oakes sah Stevens an. »Das sollte mich mürbe machen, dass er mir so etwas erzählte, während wir mit fünfundfünfzig Meilen die Interstate langfuhren. Wenn's geklappt hätte, wär's das vielleicht gewesen: Er hätte versucht, mir die Haut abzuziehen. Aber ich hab ihn bloß angeguckt und gesagt, das war interessant.« Lachen. »Die Untertreibung des Jahrhunderts, was? Da erzählt dir einer, er war ein Serienmörder, und du sagst: ›Hm, interessant.««
»Aber Sie haben ihm geglaubt?«
»Nach einer Weile, ja. Und ich dachte: Bei all den Sachen, die er mir erzählt, lässt er mich nie wieder laufen. Jedes Mal, wenn wir anhielten, dachte ich, gleich haut er mir eine über die Rübe.«
»Sie waren auf einen Angriff gefasst?« Stevens starrte Oakes an, versuchte abzuschätzen, wie viel von der Geschichte der Wahrheit entsprach. Bestand da ein gewisser Zusammenhang zwischen der Geschichte und der jetzigen Situation, ihrem Verhältnis zueinander?
»Wissen Sie, was das Komische ist? Ich hab mich einfach damit abgefunden. Ich meine, ganz relaxt, so: Wenn er mich umbringen würde, okay, dann war's eben so. Als kümmerte es mich nicht; ich hätte in dem Moment sterben können, und es wäre höhere Gerechtigkeit gewesen oder was weiß ich.«
»Tötete er jemanden, solange sie zusammen unterwegs waren?«
»Nein.«
»Aber er überzeugte Sie davon, dass er nicht log?«
»Glauben Sie , dass er log, Jim?«
»Als Sie festgenommen wurden, haben Sie der Polizei von ihm berichtet?«
»Warum, zum Teufel, hätte ich das tun sollen?«
»Hätte Ihnen ein paar Pluspunkte einbringen können.«
»Um ehrlich zu sein, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen.«
»Aber er brachte Sie dazu, übers Töten nachzudenken?«
»Er wusste, wovon er redete. Ich meine, man merkt's ja sofort, wenn jemand sich das nur aus den Fingern saugt, stimmt's?« Oakes lächelte den Reporter strahlend an. »Ich weiß noch, als ich ihm zuhörte, fragte ich mich: ›Kann es sein, dass die Welt wirklich so ist?‹ Und dann kam auch sofort die Antwort; Ja, natürlich. Warum sollte sie anders sein?«
»Sie sagen damit also, dass Sie dank Fat Boy begannen, das Töten als etwas ganz Normales anzusehen?«
»Sage ich das?«
»Was sagen Sie dann?«
»Ich erzähle Ihnen bloß meine Geschichte, Jim. Es ist ausschließlich Ihre Sache, wie Sie sie interpretieren.«
»Aber wie war's im Gefängnis, Cary? Die ganze Zeit für sich allein, mit all den Gedanken, die Ihnen durch den Kopf gingen...?«
»Jim, da hat man keine Zeit für sich. Ständig Lärm, Unterbrechungen, Alltagstrott. Man sitzt da und versucht nachzudenken, und da schicken die einen zur
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