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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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brauchen mich, können sich aber nicht leisten, zusammen mit mir gesehen zu werden?«
    »Sie konnten sich immer schon gut ausdrücken, John. Jetzt verziehen Sie sich. Heute ist Freitag, Wochenende steht vor der Tür. Gehen Sie sich amüsieren.«
31
    In Ermangelung einer sinnvollen Tätigkeit ging Janice Mich in die Arden Street. Sie hatte jede Menge Zeit zur Verfügung, und drüben in Fife kam sie sich völlig nutzlos vor. Wenn sie zu Hause herumsaß, fingen die Muster auf der Tapete an zu tanzen, und das Ticken der Uhr schien unerträglich laut zu werden. Aber wenn sie aus dem Haus ging, galt es, Fragen von Nachbarn und Passanten - »Ist er noch nicht zurück?«; »Was glauben Sie, wo er hin sein könnte?« - zu beantworten und kluge Ratschläge abzublocken, die sich in der Regel auf die Empfehlung beschränkten, Geduld zu haben oder das Beste zu hoffen. Außerdem hatte sie jedes Mal, wenn sie auf dem Waverley-Bahnhof aus dem Zug stieg, das Gefühl, dass Dämon ganz in der Nähe war. Der sechste Sinn war kein Hirngespinst: Man spürte zum Beispiel, wenn sich einem jemand von hinten näherte. Und immer, wenn sie vom Zug auf den Bahnsteig trat und da stehen blieb, während sich die Pendler und Shopper an ihr vorbeidrängten, war es, als hörte ihre Welt auf, sich zu drehen, und alles wurde still und friedlich. In diesen Augenblicken, in denen die Großstadt ausgeblendet war und das Blut in ihrem Herzen sang, konnte sie ihn fast hören, riechen - als brauchte sie nur die Hand auszustrecken, um seinen Arm zu berühren. Sie sah sich, wie sie ihn an sich drückte, ihn ausschimpfte, während sie sein Gesicht mit Küssen bedeckte, ihn, der ganz erwachsen tat und sich zu sträuben versuchte, aber gleichzeitig glücklich war, so geliebt zu werden, auf eine Weise geliebt zu werden, wie ihn niemand sonst jemals lieben würde. Seit er verschwunden war, schlief sie in seinem Zimmer. Anfangs hatte sie das Brian gegenüber damit begründet, dass Dämon sich nachts hineinschleichen könnte, um seine Sachen zu holen. Dann wäre sie da gewesen und hätte ihn zur Rede stellen, ihn zurückhalten können. Daraufhin hatte Brian gemeint, er würde ebenfalls in das Zimmer ziehen. Sie hatte eingewandt, dass da nur das Einzelbett stand, worauf er sagte, er würde auf dem Fußboden schlafen. Endlos war die Diskussion hin und her gegangen, bis sie die Beherrschung verloren und ihm unumwunden gesagt hatte, dass sie lieber allein wäre.
    Das erste Mal, dass sie die Worte ausgesprochen hatte.
    »Offen gesagt, Brian, wäre ich viel lieber allein...«
    Sein Gesicht war in sich zusammengefallen, und ihr war ganz übel geworden. Aber es war richtig gewesen, die Worte auszusprechen, falsch, sie all die Monate und Jahre zurückzuhalten.
    »Es ist wegen Johnny, stimmt's?«, hatte Brian, mit abgewandtem Gesicht, geschafft zu fragen.
    Und irgendwie war es seinetwegen, obwohl nicht ganz in dem Sinn, wie Brian es meinte. Es war so, dass Johnny ihr einen anderen Weg gezeigt hatte, den sie hätte gehen können, und indem er dies tat, ihr die Möglichkeit aller anderen Wege offenbart hatte, die sie nicht gegangen, aller Orte, an denen sie nie gewesen war. Orte wie »Emotion«, »Erregung« und »Hochgefühl«. Orte wie »Ich« und »Frei« und »Selbstbewusst«. Sie wusste, dass sie diese Dinge nie vor wem auch immer ausgesprochen hätte; dazu klangen sie viel zu sehr nach Frauenillustrierte. Aber das änderte nichts an ihrem Gefühl, dass sie real waren. In der Kleinstadt geboren und aufgewachsen, bislang so gut wie nie woanders gewesen: Wollte sie wirklich auch dort sterben? Wollte sie sich damit abfinden, dass sich über dreißig Jahre ihres Lebens einem Freund gegenüber, den sie seit der Mittelschule nicht mehr gesehen hatte, in fünf Minuten zusammenfassen ließen?
    Sie wollte mehr. Sie wollte weg.
    Natürlich wusste sie, was die Leute gesagt hätten: Die Gefühle gehen mit dir durch, Schätzchen. Es ist doch klar, dass so etwas einen mitnimmt. Und das tat's. Herrgott, das tat's wirklich. Und dennoch fühlte sie sich so hilflos und ohne Ziel wie noch nie zuvor. Sie hatte sämtlichen Wohltätigkeitsorganisationen ihre Geschichte erzählt, hatte mit zahllosen Taxifahrern gesprochen, aber was nun? Es musste doch etwas geben, das sie noch nicht versucht hatte, aber sie kam einfach nicht darauf, was es sein könnte. Sie wusste nur eins: Das war der Ort, an dem sie hätte sein müssen.
    Jetzt, wo sie mit der Stadt etwas vertrauter war, genoss sie den

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