Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
ein langes Messingfernrohr und beobachtete, wie zwei Männer in Kanus die Untiefen durchfuhren; einer lenkte mit einer Stange, die vorne wie eine Pike geformt war, während der andere Netze voll mit Fischen aus dem See holte. Ein paar skelettartige Trockenrahmen mit Zedernstreifen und Fischen säumten das Seeufer. Die Indianer und Siedler, die sich um ihre Lagerfeuer kümmerten, achteten nicht weiter auf die Kanus oder den Schiffsverkehr. Andere Boote nutzten Schleppnetzte und Kiemennetze, um größere Fischmengen zu fangen. „Mein Schatz“, rief Lightning Jack erfreut, zählte dabei die Münzen für den Zoll an den Schleusen ab. „Die Fische sind für mich wertvoller als Gold.“
Ehe der Kanal ausgehoben worden war, erzählte er ihr zwischen gallischen Flüchen, während er mit dem Ruder kämpfte, hatte alles von der einen Seite der Stromschnellen mühsam über Land auf die andere Seite transportiert werden müssen, um zu verhindern, dass man in die gefährlichen Stromschnellen geriet, die den Übergang zwischen den beiden riesigen Seen markierten. Durch das Fernrohr konnte sie in der Ferne das stattliche Stone House Hotel auf der kanadischen Seite erkennen.
Sie schlang einen Arm um die Leiter und blickte sehnsüchtig zu dem malerischen, durch und durch zivilisiert wirkenden Ort. Sie träumte von einem luxuriösen heißen Bad und frischen Kleidern, einem breiten Bett für die Nacht. Und, wesentlich wichtiger, Freiheit von dem Grobian, der sie gefangen hielt. Aber das Hotel hätte genauso gut so weit entfernt sein können wie die Wolken am Himmel, so weit erstreckte sich die sich kräuselnde Wasseroberfläche bis zum Ufer. Deborah sah Docks und Lagerhäuser, Blockhäuser und einladend wirkende Behausungen mit Rauchsäulen, die aus den Schornsteinen aufstiegen. Die Anzeichen von Zivilisation und Menschen erfüllte sie mit Hoffnung. Fieberhaft überlegte sie, wie sie entkommen konnte. Sie hatten die restlichen Signalfackeln vor ihr versteckt, und das Rauschen des Wassers war zu laut, als dass Schreien etwas genützt hätte.
„Sie haben jetzt gesehen, was es zu sehen gibt“, rief ihr Silver zu, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Gehen Sie jetzt nach unten. Oder wollen Sie, dass ich Sie bringe?“
Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. Aber sie wusste natürlich, ihr blieb keine andere Wahl – für den Moment. Mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, begab sie sich in die Kabine unter Deck. Sie hörte, wie die Luke oben verschlossen wurde. Mit einer Hand wischte sie den Beschlag von dem kleinen Bullauge und schaute auf die viel befahrene Wasserstraße hinaus. Sie brauchten den ganzen Tag, um den überfüllten mit Holzpflöcken befestigten Kanal zu meistern. Sie hörte die Rufe und die Pfiffe der Viehtreiber an die Ochsengespanne und spürte ein seltsames Heben im Magen, als sich der Wasserstand zwischen den Schleusen mit einem Mal änderte.
Ihr kam der Gedanke, dass sie ein Abenteuer erlebte. Deborah hatte nie zuvor ein Abenteuer erlebt, es sei denn, sie zählte ihre Begegnung mit Präsident Grant an ihrem achtzehnten Geburtstag dazu. Das hier war ein wahrhaftiges waschechtes Abenteuer, mit skrupellosen Bösewichten, schrecklichen Gefahren und ungezähmter Wildnis. Wenn ihre Lage nicht so bedrohlich gewesen wäre, hätte sie die Situation fast genießen können. Wenn sie heimkehrte, würde sie ihren Freunden davon erzählen können. So, wie die Sache sich allerdings zu entwickeln schien, entfernte sie sich von ihrem Zuhause immer weiter.
Schließlich warfen sie oberhalb der Stromschnellen Anker, an einer ruhigen Stelle, eine gute Meile vom Ufer entfernt.
Am frühen Abend betrat Tom Silver die winzige Kabine, den Hund unterm Arm. Er trug Smokey immer, als wäre er ein Haufen schmutziger Wäsche. Er setzte ihn ab, und das Tier kam zu ihr in die Koje gesprungen. Dann wandte Silver sich ab, um zu gehen.
„Wohin gehen Sie?“, fragte Deborah, wobei sie gar nicht mit einer ehrlichen Antwort rechnete.
„Ich schließe die Tür wieder von draußen.“
Sie eilte zu ihm. „Nein, bitte nicht. Ich schwöre auch, ich werde …“
Beim Einrasten des Riegels zuckte sie zusammen. Die Kabine war so schmal und eng, dass sie sich darin nicht bewegen konnte, weswegen sie sich wieder in die Koje setzte, die Knie anzog und dem Hund geistesabwesend über den Kopf strich. Sie hatten ihr weder eine Kerze noch eine Lampe gegeben, aus Sorge, sie könnte den Raum in Brand setzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem
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