Italien zum Verlieben (German Edition)
schon lange nicht mehr. Sie hatte
mit beiden Händen Marcos Arm umfasst, der sich warm und stark
anfühlte. Sie wäre im Moment an keinem Ort der Welt lieber
gewesen.
"Ja, das gefällt mir auch so an meiner Heimat,
es ist alles einfach irgendwie gemütlicher und das Leben ist
mehr auf die schönen Dinge ausgerichtet, weißt du was ich
meine? Als Kind war ich oft in Deutschland und dort hatte ich immer
den Eindruck, dass es dort irgendwie immer nur um die Arbeit geht."
"Hm, da hast du wohl recht. Das ist wohl einfach
die deutsche Mentalität: Betriebsamkeit, Pünktlichkeit,
Zuverlässigkeit, Gründlichkeit. So sind wir Deutschen eben.
Außerdem wäre unser Wetter auch viel zu kalt für so
etwas", Anna machte eine weite Handbewegung. "Es gibt nur
wenige Tage im Jahr, an denen es so warm ist, dass man in den Cafés
auf den Marktplätzen, wenn es die denn gibt, abends so lange
sitzen kann. Um zehn Uhr ist ja dann auch Nachtruhe und du kannst mir
glauben, es gibt viel zu viele engstirnige Menschen in Deutschland,
die einen wegen eines leisen Gesprächs auf der Straße nach
zehn Uhr gleich wegen Ruhestörung die Polizei auf den Hals
hetzen."
"Im Ernst?"
"Klar, hey ich arbeite bei der Zeitung, was meinst
du, was man da alles Kurioses zu hören bekommt!"
"Na da wäre ich schon neugierig!"
Anna überlegte kurz. "Für einen
ordentlichen Nachbarschaftsstreit, der in eine saftige Schlägerei
auf der Straße mündete, reichte einmal beispielsweise eine
Thujahecke, die zehn Zentimeter durch den Gartenzaun zum Nachbarn hin
wuchs. Ein dritter Nachbar hat es nicht geschafft zu schlichten und
musste die Polizei rufen, die die beiden dann trennte." Anna
erzählte noch einige weitere Lieblingsgeschichten aus ihrem
Arbeitsalltag und von der eigentümlichen, wenn auch
liebenswerten Art der Allgäuer und brachte damit Marco mehrmals
zum lachen. Dann kamen sie noch auf einige Anekdoten aus Annas
Schulzeit und Marco wusste gleich ähnliche Geschichten zu
entgegnen.
Sie waren inzwischen am Ende der Straße
angekommen, wo ein großer parkähnlicher Platz mit
Blumenbeeten, Grünflächen, Bänken und Bäumen von
einer zweispurigen Straße umrundet wurde. Es waren nur noch
sehr wenige Autos unterwegs. Dahinter lag der Palazzo, von dem Marco
gesprochen hatte. Er war so breit wie der gesamte Platz und ebenfalls
aus diesem typischen weißen und roten Stein gebaut.
"Das ist die Piazza Italia", erklärte
Marco. "Dazu gibt es eine kleine Geschichte. Unter uns liegt
noch eine zweite Stadt, ein Labyrinth aus Straßen und
Wohnhäusern von reichen Patriziern aus dem 14. Jahrhundert, das
man erst im vergangenen Jahrhundert entdeckt hat."
"Das klingt ja spannend. Kann man sich das denn
ansehen?"
"Ja, das ist ja das Schöne, dort vorn gibt es
eine Rolltreppe, die führt direkt in die alte Stadt hinunter,
nur geht das leider um diese Zeit nicht mehr, aber wir können ja
gern noch mal tagsüber her kommen, wenn du dich für
Geschichte so interessierst." Marco schien erfreut darüber
zu sein, dass Anna genauso neugierig war, wie er, bevor er das erste
Mal diese verborgene Stadt gesehen hatte. "Ich war dort schon
als Kind mit meiner Schulklasse unten; gehörte quasi zum
Geschichtsunterricht."
"Was ist mit der Stadt passiert?"
"Papst Paul der Dritte war der erste Papst, mit dem
die Kirche die Macht im Land übernahm und so hat er die Stadt
der einflussreichen Leute Mitte des 16. Jahrhunderts zuschütten
lassen. Darauf hat er seine Festung 'Rocca Paolina' gebaut. Diese war
natürlich sehr verhasst und wurde wiederum im 19. Jahrhundert
gesprengt und geschliffen. Darauf steht heute, wie du siehst, der
Palazzo della Provincia und jede Menge Denkmäler. Große
Teile der Patrizierstadt sind inzwischen wieder frei gegraben und ich
finde es echt spannend dort durch zu laufen!"
"Das kann ich mir vorstellen! Das will ich
unbedingt auch einmal sehen!"
"Komm, jetzt zeig ich dir das, wie ich finde,
Schönste an einem nächtlichen Spaziergang durch Perugia!"
Er ging mit ihr über den Platz und auf der rechten
Seite an dem großen Palazzo vorbei. Dahinter sah Anna einen
kleinen gartenähnlichen Park, den sie quer passierten und nun
vor einem kleinen Mäuerchen standen, das als Brüstung
diente. Von hier aus hatten sie einen fantastischen Blick über
das nächtliche Perugia mit seinen sanft beleuchteten, eng
aneinander geschmiegten Altstadtbauten und Kirchen. Dahinter konnte
man über die umliegenden Hügel bis weit in die Ferne sehen.
Anna war sehr beeindruckt,
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