Jane Christo - Blanche - 01
auf, nur kurz, dann hatte er sich wieder im Griff und verzog den Mund zu einem Lächeln, von dem sie beinah Frostbeulen bekam.
„Glaub mir, Spätzchen, du hast keine Eile. Wir haben die ganze Nacht Zeit, nur du und ich …“
„Tick, tack“, bemerkte sie und deutete mit dem Kopf auf ihre nicht vorhandene Armbanduhr.
Zoey beugte sich über sie und legte die Hände auf ihre fixierten Unterarme. Der Duft seines leichten Eau de Colognes drang in ihre Nase. Darunter roch sie feuchte Erde und … Weihrauch? Wie merkwürdig.
„Es wird mir eine Freude sein, dir deine Sprüche auszutreiben“, flüsterte er und leckte ihr vom Kinn bis zur Nasenwurzel durchs Gesicht.
Na toll. Sie kam sich wie ein angepinkelter Gartenzaun vor, als hätte er sie markiert. Dafür würde sie dieses Arschloch aufschlitzen, ihn zu erschießen wäre ein viel zu schneller Tod. Als wäre das sein Stichwort, erschien ein Balisong in seiner Hand, mit dem er einen Moment vor ihrem Gesicht herumfuchtelte, bevor er es aufklappte. So etwas hatte sie schon länger nicht mehr gesehen. Das exotische Butterflymesser besaß eine dreißig Zentimeter lange Klinge, die er vermutlich nicht als Brieföffner benutzte. Während ihr Verstand nach einer Lösung suchte, setzte sie ihr Pokerface auf. Im Grunde kam das Messer wie gerufen, denn genau das brauchte sie, um das Klebeband zu durchtrennen. Obwohl sie mit ihrer eigenartigen, neuen Energie das Gefühl hatte, die Fesseln einfach sprengen zu können. Zoeys Whiskeyatem streifte ihr Gesicht, dann nahm er das Messer und schlitzte ihren Rollkragenpullover vom Hals bis zum Nabel auf. Darunter trug sie nur einen schwarzen BH, was ihn zu freuen schien, denn seine Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz.
„Als Wayne meinen Vater tötete“, begann er heiser, „ließ er das Syndikat schwach aussehen. Niemand kannte ihn, es war, als wäre er vom Himmel gefallen – oder besser: Aus einem Höllenschlund gekrochen. Ein Unbekannter. Kein Mensch hatte je von ihm gehört. Innerhalb kürzester Zeit hatte er zwei unserer stärksten Zellen ausgelöscht. Ich war damals erst dreizehn Jahre alt, aber es bestand kein Zweifel, dass ich einmal in Viktors Fußstapfen treten würde. Er hatte bereits begonnen, mich in seine … Firma einzuführen.“
Behutsam fuhr er mit seinen Fingerspitzen über die Hügel ihrer Brüste, lehnte sich vor und atmete ihren Duft ein. Er stöhnte und sein Weihrauchgeruch verdichtete sich.
„Wayne hat Viktors Geschäft zerstört“, fuhr er mit belegter Stimme fort. „Er hat erst ihn und anschließend seine Pakhans getötet, die Bosse der drei größten Zellen. Damit waren wir führerlos und die Sankt-Petersburger sind eingesprungen.“
Er strich ihr Dekolleté entlang, den Hals hinauf und umrahmte ihr Gesicht mit beiden Händen. Blanker Hass stand in seinen Augen, doch er schien nicht ihr zu gelten, sondern der Erinnerung.
„Für die war ich ein Nichts, noch weniger als das, denn in ihren Augen hatte mein Vater versagt.“ Seine Hände legten sich um ihren Hals. „Dank Wayne wurde ich über Nacht vom Sohn des größten russischen Syndikatsbosses zum Sprössling eines Verlierers. Alles, was meine Familie für mich aufgebaut hatte, war fort …“ Er löste eine Hand und schnippte vor ihren Augen mit den Fingern. „Keine der anderen Familien wollte mich aufnehmen. Sie haben behauptet, dass mein Vater Schande über den Klan gebracht habe. Dass ein einzelner Mann ihn gestürzt und die Sicherheit des Syndikats, unsere Geschäfte, gefährdet habe. Dieser Mann war Wayne.“
Er fuhr mit dem Daumen über ihre Lippen und sie war versucht, hineinzubeißen. Das würde allerdings nicht weiterhelfen, sie brauchte sein Gesicht näher an ihrem. Am besten wäre es, wenn er noch mal versuchen würde, sie abzuschlecken, dann hätte sie ihn da, wo sie ihn haben wollte.
Doch den Gefallen tat er ihr nicht. Er zerriss das letzte Stück des Rollis unterhalb ihres Nabels und fuhr mit der Hand über ihren entblößten Unterbauch. Noch war das Rückenholster verborgen. Wenn er allerdings den Pullover, der nun wie eine Jacke offen stand, über ihre Schultern zog, würde er das Halfter der Beretta entdecken.
Doch er war zu sehr damit beschäftigt, seine dämliche Geschichte zu erzählen, wie er zurück nach Moskau ging, wo er in Schimpf und Schande empfangen wurde und sich vor den herrschenden Familien verstecken musste. Wie er vor zehn Jahren einen Neustart in Paris gewagt und abermals von Wayne gestoppt wurde, der
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