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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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Herzschlag pendelt sich wieder ein. Dann ist sie ganz leicht, sie wundert sich, dass sie so einfach STOPP sagen kann.
    Wahrscheinlich hat sie es mal erwähnt, dass es eine ihrer Lieblingsbands ist. Sie hat ihm ja schon so viel von sich erzählt. Er ist so fürsorglich, aber er soll sich nicht andauernd Sorgen um sie machen. Das ist echt nervig.
    Ab Eisenacher Straße hat sie einen Kloß im Hals. Ob sie vielleicht doch lieber umkehren soll und mit Kolja aufs Konzert gehen? Sie räuspert sich. Nein. Sie darf jetzt nicht nervös werden. Sie wird alles ganz relaxed auf sich zukommen lassen und dann mal schauen, was passiert. Sie versucht, an dem Kloß im Hals vorbeizuatmen.
    An der Haltestelle Berliner Straße steigt sie in die U9 um, am Kurfürstendamm aus. Es ist kurz vor 21 Uhr, aber auf dem Ku’damm ist viel los. Alle sind noch in Shopping-Laune. An ihr vorbei drängelt sich eine russische Familie, bepackt mit jeder Menge Tüten. Der kleine, dickliche Mann redet auf eine magere, wasserstoffblonde Frau ein, mit geschwollenen, rosa glänzenden Fisch-Lippen. Bestimmt kommt sie gerade frisch vom Lippenaufspritzen. Hier um die Ecke hat Julia schon mal ein Werbeschild gesehen: Botox to go . Die zwei Kinder, ebenfalls in Designerklamotten – das Mädchen in Pink, der Junge im Hip-Hop-Look mit goldenem Käppi –, haben jeder einen iPod in der Hand und trödeln stolpernd hinterher. Julia überholt sie. Es tut gut, schnell zu gehen.
    Das Haus an der Bleibtreustraße ist ein alter Jugendstilbau, weiß und ohne Graffiti, das Klingelschild aus poliertem Messing. Julia findet den Namen Matuschke sofort, klingelt zweimal kurz hintereinander. Der Summer ertönt, sie drückt die große braune Tür auf, geht durch den verspiegelten Flur in den Hinterhof, an Rosen- und Rhododendronbüschen vorbei, ins nächste Treppenhaus. Roter Kokosteppich auf den Stufen. Es riecht nach Mango-Putzmilch. Die Tür im vierten Stock ist nur angelehnt. Julia klopft, wartet, drückt die Tür auf und eine korpulente, ältere Frau mit hennarrot gefärbten Haaren steht vor ihr.
    »Hello dear, come in!« Die Frau gibt ihr eine Hand, mit der anderen fasst sie Julia an die Schulter und schiebt sie in den Hausflur. »Ich bin Kitty«, sagt sie mit starkem englischem Akzent. »Und du musst Julia sein.«
    »Ja«, sagt Julia. Die Frau sieht fröhlich aus, ist bunt geschminkt und trägt vier Ketten übereinander. Ihr Körper ist in weite Kleider und Tücher gehüllt. Sie sieht genauso aus, wie man sich eine Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt vorstellt, fehlt nur noch die Glaskugel.
    Sie führt Julia durch den langen, mit Bildern und Fotos vollgehängten Flur – Porträts in Schwarz-Weiß oder in Öl. Kittys Ketten klimpern bei jedem Schritt. Es riecht nach japanischen Räucherstäbchen, Kyo-nishiki , die gleichen, die sie auch hat.
    Kitty führt sie ins Wohnzimmer, ein großer Raum mit orientalischem Teppich und schweren Holzmöbeln. An den Wänden dunkle Schränke. Auf dem Sofa sitzen zwei Frauen. Es ist, als hätten sie sich alle zu einem netten Kaffeeklatsch getroffen. Die ältere der beiden Frauen hat eine graue Dauerwelle und ist bestimmt schon 70. Die andere ist etwa so alt wie Julias Mutter. Komisch, mit diesen Frauen hier zu sein. Anne steht vor einer Anrichte und füllt Wasser aus einer Karaffe in Gläser und stellt sie aufs Tablett. Dann geht sie zum Fenster und zieht die dicken roten Samtvorhänge zu, macht den Kronleuchter an und dimmt das Licht, bis es ein matter, warmer Schein ist.
    Kitty stellt alle vor. Die jüngere Frau heißt Simone, die alte Frau Elfriede. Elfriede macht einen total lockeren Eindruck, als wäre sie wirklich zum Kaffeeklatsch hier. Ganz anders Simone. Die sitzt da, kerzengerade mit zusammengekniffenen Knien, als müsste sie gleich zum Zahnarzt. Kitty teilt allgemein mit, warum alle hier sind: »Simone hat ein Kind verloren.« Kitty fasst sich an den großen Busen und macht ein betroffenes Gesicht. »Und Elfriede würde gern etwas über ihre verstorbene, große Liebe erfahren, die sie seit über fünfzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Und unsere Julia …« Kitty sieht Julia an und legt beide Hände auf ihre Schultern. »… unsere Julia ist heute hier, weil ihr Freund Anfang des Sommers tödlich verunglückt ist.« – Die Information hat sie also schon von Anne bekommen. Julia schluckt. Kitty schaut Julia tief in die Augen. »Es ist die erste Begegnung mit ihm, nicht wahr, dear?« Julia nickt – schüttelt dann den Kopf und

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