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Jillian Hunter

Jillian Hunter

Titel: Jillian Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viel Lärm um Stratfield
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markierte. Aber er war diesen hüb- schen, überwucherten Pfad schon oft entlanggegangen und benutzte seinen Spazierstock, um ab und an eine Brombeer-

ranke aus dem Weg zu schieben. Er kannte den verborgenen Pfad wie seine Westentasche.
    Er war Stratfield in der Vergangenheit mehr als einmal dort begegnet, zusammen mit Samuel, seinem hitzköpfigen jungen Bruder, der kein anderes Gesprächsthema kannte als sein bevorstehendes Abenteuer in Nepal. Humphreys Mei- nung nach hatte der tollkühne Narr den Tod gefunden, als er eine Handvoll gieriger Händler verteidigt hatte, die im In- teresse des Britischen Empires die gesamte Welt ausgelöscht hätten. Er selbst hatte mehr als einmal versucht, Samuel davon zu überzeugen, eine andere Karriere einzuschlagen. Doch die Plakate, die Abenteuer und Reichtum versprachen, verführten unzählige junge Männer dazu, sich der ehrbaren East India Company anzuschließen.
    Samuel und seine beiden älteren Brüder, der verstorbene Michael und Dominic, waren aus vollkommen unterschiedli- chem Holz geschnitzt. Dominic und Michael waren zurück- haltender gewesen und hatten jeden Aspekt ihres Lebens ge- nau durchdacht. Humphrey hatte Dominic stets gemocht. Er konnte nicht recht glauben, dass der Viscount tot war.
    Eigentlich glaubte er es überhaupt nicht.
    Er blieb stehen und blickte sich um. Sein Nacken kribbelte. Ares untersuchte die Erde um einen Fuchsbau.
    „Hast du irgendetwas Interessantes gefunden, Ares?" Nach- denklich stocherte er mit seinem Stock im Erdreich. „Die- se Fliegenpilze wurden zertreten, nachdem wir vorgestern Abend hier waren. Seltsam, nicht wahr? Ich würde sagen, au- ßer uns schleicht hier noch jemand herum."
    Er hörte, wie hinter ihm Zweige raschelten. Eine schnei- dende Stimme rief: „Bleiben Sie genau da stehen! Ich habe ein Gewehr. Oh, Sie sind es, Sir Humphrey. Bei Hades, ich wünschte, Sie würden aufhören, mir immer wieder so einen Schrecken einzujagen. Ich habe von Sir Edgar Befehl, jeden zu erschießen, der unerlaubt das Anwesen betritt."
    Sir Humphrey hob seinen Spazierstock und wandte sich um, um den irischen Wildhüter zu begrüßen, der auf Strat- field Hall arbeitete. „Ah, Finley. Sie sind genau der Mann, den ich zu treffen hoffte. Ich würde gerne ein paar Worte mit Ihnen reden."

20. KAPITEL
    Eine weitere Woche verstrich. Chloe spürte, wie erneut dieselbe Unruhe von ihr Besitz ergriff, die sie nach dem Tod ihres Vaters und Brandons so niedergedrückt hatte. Die Welt begann lang- sam wieder grau auszusehen. Sie fühlte sich ruhelos und ner- vös, als wäre ihr Inneres nach außen gekehrt worden. Sie hatte nichts von Dominic gehört.
    War ihm bewusst, welche Sorgen sie sich um ihn machte? Wusste er, dass sie kurz davor stand, sich selbst auf die Jagd nach ihm zu machen? Wahrscheinlich dachte er überhaupt nicht an sie. Chloe hatte schon immer dazu geneigt, die dümms- ten Entscheidungen zu treffen, und dementsprechend hatte sie nun ihr Herz an ein Phantom verloren, an einen Mann, in dessen Leben - oder in dem, was davon übrig war - es keinen Platz für Liebe gab.
    Aber für den Rest der Welt ging das Leben weiter. Weil Chloe inmitten dieses schier unlösbaren Gefühlswirrwarrs steckte, nahm sie nur am Rande wahr, dass die Damen von Chistle- bury sich mit Leib und Seele in die Vorbereitungen für ihren alljährlichen Maskenball gestürzt hatten. Die Versammlungs- halle des Ortes wurde von Staub und Spinnweben befreit, der uralte Lüster poliert und mit frischen Kerzen bestückt, und Stühle wurden aus dem Lager geholt.
    Wenn jemand sie fragte, erklärten die Gönnerinnen aus dem Dorf, dass sie darauf hofften, auf dem Ball Spenden zu sammeln, um das Dach des Schulmeisters zu flicken, für die kalte Gemeindekirche ein paar neue Kohlebecken zu kaufen und den Kirchturm zu reparieren.
    In Wirklichkeit bot der Maskenball die perfekte Kulisse für all die Mütter, deren Töchter ohne die ersehnten Heiratsan-

träge von ihrem gesellschaftlichen Debüt in London zurück- gekehrt waren und die ihren erfolglosen Nachwuchs nun auf dem Lande unter die Haube bringen wollten.
    Da es in Chistlebury nur wenige heiratsfähige Männer gab, war der Ball zu einer Art von wildem Wettbewerb geworden. Dieses Jahr versprach das Ereignis noch stürmischer zu wer- den als sonst. Zum einen würde der begehrte Viscount Strat- field diesmal nicht anwesend sein. Zum anderen schien die bezaubernde Lady Chloe Boscastle die besondere Gunst des jungen Lord St. John zu

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