Julia Collection Band 26
über dich erfahren habe.“
„Oh.“ Sie blickte auf ihre Hände und verschränkte die Finger.
„Ich sehe dich jetzt in einem ganz anderen Licht.“
„Als Lehrerin der Sonntagsschule?“
„Ja“, bestätigte er nachdenklich.
Er ließ den Blick durch das Innere der Kirche gleiten, über die bunten Glasfenster, die Gemälde der Apostel an den steinernen Wänden, die hohe Decke und den Altar mit dem Kreuz und den funkelnden Kerzenhaltern. Danach sah er wieder sie an.
„Können wir gehen?“, fragte er.
„Ja, natürlich. Mein Mantel hängt in der Sakristei.“
Sie hatte sich noch nie so befangen gefühlt, als sie mit Kane durch St. Alban ging. Hunderte Male hatte sie sich als Mädchen ausgemalt, wie sie mit einem wundervollen Mann an ihrer Seite zum Altar schritt. Nie hatte sie das Gesicht dieses Mannes genau gesehen, doch sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt. Seit Jahren schon liebte sie ihn, diesen großen und attraktiven, zärtlichen und stets leidenschaftlichen Mann.
Konnte das Kane McKinnon sein?
Sie wollte es. Sie sehnte sich sogar so sehr danach, dass sie innerlich bebte.
In der Sakristei half er ihr in den Mantel und mit dem Schal, und Wärme breitete sich auf ihrer Haut aus, als seine Finger leicht über ihren Nacken strichen.
„Wie findest du unser Wetter?“, fragte sie und schob den scharlachroten Schal in den Mantel, als ihnen im Freien kalte Luft entgegenschlug. „Machen dir Wind und Schnee etwas aus?“
„Das Wetter ist fantastisch“, erwiderte er. „Und der Schnee ist schön. Ich liebe jede einzelne Flocke. Alles ist so ganz anders als zu Hause.“
„Für gewöhnlich haben wir so früh noch gar keinen Schnee. Es sieht ganz danach aus, als würde es dieses Jahr tatsächlich weiße Weihnachten geben.“ Während sie nebeneinander den Steinweg neben der Kirche entlanggingen, fiel ihr auf, dass er die Hände wieder in die Taschen geschoben hatte. „Du brauchst Handschuhe.“ Sie zeigte ihm ihre hübschen mit Fell gefütterten roten Lederhandschuhe, die sie letztes Weihnachten von ihrem Vater bekommen hatte.
„Ja, ganz bestimmt“, bestätigte er lächelnd. „Diesmal bin ich derjenige, der in einer fremden Umgebung gelandet ist.“
Sie versuchte, alles mit Kanes Augen zu sehen – den verschneiten Friedhof, die kahlen Bäume und die alten Grabsteine mit dem Efeu, der unter der Schneedecke hervorlugte.
„Dieser Teil der Welt ist das genaue Gegenteil von deinem“, stellte sie fest.
„Ja, und irgendwie ist es unheimlich.“
„Unheimlich? Wir haben wenigstens keine schwarzen Schlangen mit Giftzähnen. Der harte Kane McKinnon hat Angst vor ein wenig Schnee?“
„Na ja, es liegt eigentlich nicht am Schnee, sondern an … an allem.“ Er legte den Kopf in den Nacken, blickte zum Himmel hinauf und atmete tief durch. „Dadurch erkenne ich …“
Als er sie wieder ansah, las sie in seinen blauen Augen Unsicherheit. War das tatsächlich derselbe unverschämt selbstbewusste Mann, der sie nach der Ankunft im Outback gnadenlos aufgezogen hatte?
„Annie war nur eine Ausrede, Chaz“, gestand er und lächelte seltsam traurig.
Sie blieb auf der Stelle stehen und wagte kaum noch zu atmen.
„Ich bin deinetwegen hier“, sagte er. „Seit du fort bist, treibe ich mich selbst zum Wahnsinn. Ich wollte dich anrufen oder dir schreiben, aber dann hatte ich Angst, ich könnte es verpatzen. Nein, ich musste dich sehen. Jetzt bin ich hier, und da wird mir klar, wie verrückt es von mir war, zu glauben …“
Er verstummte und wandte das Gesicht ab. Ein Muskel in seiner Wange zuckte.
„Du bist eine englische Rose, Chaz, und du gehörst hierher. Im Star Valley haben wir nicht einmal einen fest angestellten Geistlichen, sondern nur einen Buschpriester, der ein Mal im Monat eine Messe in Mirrabrook liest.“
Er wirkte so bedrückt, dass es ihr fast das Herz brach. Dieser Mann ahnte nicht, dass sie hoffnungslos in ihn verliebt war. Liebe hatte nichts mit dem Ort zu tun, an dem man lebte. Es ging dabei nur um den Menschen, und sie wollte diesen Mann.
„Kane, seit ich zurückgekommen bin, denke ich ständig an dich.“
„Wirklich?“, fragte er, und aus seinen blauen Augen traf sie ein strahlender Blick.
„Jeden Moment.“
Er kam einen Schritt näher.
„Kane McKinnon“, sagte sie leise und legte ihm die Hand auf den Arm, „ich habe mich rettungslos in dich verliebt, und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich endlich aus meinem Elend erlösen könntest.“
Er brachte kein Wort
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