Julia Extra Band 0258
seinem Vater angefertigt hatte, vor Tatianas Bild.
Dann stellte er ihn auf den Kaminsims zurück und betrachtete das kleine Werk. Es drückte etwas aus, was ihn schmunzeln ließ.
Susan war ein ganz anderer Typ als seine Mutter und Tatiana. Seine Mutter war eine kleine Königin gewesen und Tatiana ein süßer Engel. Und Susan? Auf sie traf der Spruch zu: „Du kriegst, was du siehst!“ Sie sagte, was sie dachte, war geradeaus und konnte es zur Not mit Männern aufnehmen. Obwohl sie eine starke Frau war, hatte sie aber auch etwas sehr Weibliches.
Sogar ihre Sommersprossen fand er inzwischen sexy. Er musste nur daran denken, wie reizend sie errötete, und schon erwachte in ihm Verlangen. Ob sie das nur ahnte?
Dass er mal eine Frau wie sie attraktiv finden könnte, wäre ihm früher unvorstellbar erschienen. Aber so war es nun einmal. Sie war diejenige, die in ihm Leidenschaft geweckt hatte.
Er brauchte nur diese Zeichnung anzusehen, dann fühlte er sich beschwingt. Und das war eine Menge wert! Mit Susan konnte er lachen – und mit ihr würde er eine Familie gründen können – auch wenn sie Tatiana nie ganz aus seinem Herzen vertreiben würde.
Leider würde es nicht leicht sein, sie von seinen Plänen zu überzeugen. Allerdings hatte er das Gefühl, dass es sachte voranging. Jetzt kam es darauf an, keinen Fehler zu machen.
Noch eine Woche und fünf Tage, dachte Susan, als sie abends das Esszimmer betrat. Dann sitze ich wieder sicher an meinem Schreibtisch in Portland – fern jeglicher Versuchung.
Als sie gegessen hatten, entschuldigte Jake sich. Er müsse mit einem Geschäftspartner telefonieren. Sein Vater George wollte ins Bett gehen, und Susan saß nun da und hatte die Wahl: Sollte sie auch früh ins Bett gehen und sich dort dann ruhelos in den Kissen wälzen? Oder sollte sie noch ein bisschen spazieren gehen? Eigentlich hatte sie dazu auch keine Lust. Aber sie war so ruhelos.
Es würde ihr gut tun, etwas ins Freie zu kommen.
Ihr fiel ein, dass zum Salon eine schöne Terrasse gehörte, von der aus man herrlich auf das Meer und den Garten schauen konnte. Dort wollte sie sich ein wenig den Wind um die Nase wehen lassen und dabei den süßen Duft der Rosen genießen. Das würde sie hoffentlich auf andere Gedanken bringen.
Als sie den eleganten Salon durchquerte, blieb ihr Blick wieder an dem Gemälde von Chagall hängen. Um es eine Weile zu betrachten, hielt sie vor dem Kamin inne. Dabei stutzte sie. Irgendwas war hier anders als sonst. Gegen ihren Willen schaute sie Tatianas Porträt an – aber wo war es? Sie konnte es nicht fassen. In dem Rahmen steckte ihre Zeichnung von George!
Sie trat langsam an den Kaminsims heran und nahm den silbernen Rahmen in die Hand. Kein Zweifel. Jake hatte ihrer Skizze von seinem Vater diesen Ehrenplatz gegeben. Tatianas Porträt war verschwunden …
Verwirrt stellte sie den Bilderrahmen zurück an seinen Platz und ging zur Terrasse. An der Terrassentür drehte sie sich allerdings noch einmal um, um noch mal zum Kaminsims zu schauen. Nur für den Fall, dass sie da eben eine Halluzination gehabt hatte …
Aber nein. Da stand ihre Skizze. Sie schüttelte irritiert den Kopf – und spürte gleichzeitig, wie in ihr Freude aufstieg.
Beschwingt betrat sie die Terrasse und lehnte sich gegen die steinerne Balustrade. Vom Mond war nur wenig zu sehen, aber die Lampen am Haus und im Garten leuchteten festlich und verliehen der Umgebung einen märchenhaften Zauber. Es wehte ein kühler Hauch, und Susan zog die Jacke fester um sich.
Während sie den Duft der Rosen einatmete, versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum hatte Jake das gemacht?
Vielleicht stand das Foto von Tatiana jetzt in seinem Schlafzimmer, neben seinem Bett? Wie auch immer – es war sehr nett von ihm, dass er ihrer Skizze den Ehrenplatz gegeben hatte!
Plötzlich erklang sanfte Musik aus dem Haus. Neugierig drehte sie sich um und sah, dass Jake zu ihr auf die Terrasse trat. Er hielt inne und schien zu lächeln. Sie konnte es nicht genau erkennen, weil hinter ihm im Salon die Lampen leuchteten.
„Hallo“, sagte er und kam zu ihr. Die Terrassentür hatte er hinter sich halb offen gelassen. Deshalb war die Musik so gut zu hören. Es waren heitere Sambaklänge.
Musste er eigentlich immer so verdammt gut aussehen?, dachte sie bei sich. Er trug eine beigefarbene Hose und einen Rollkragenpullover in derselben Farbe. Sie brauchte ihn nur anzusehen und spürte brennendes Verlangen.
Mit jedem Schritt, den
Weitere Kostenlose Bücher