Julia Extra Band 0297
hätte bezahlen müssen. Immerhin stand hier das Leben eines kleinen Mädchens auf dem Spiel.
Die Kleine hieß Rebecca und war erst sieben Jahre alt. Eine Waise, aber mit einem wunderbaren Großonkel, wie es schien. Noch dazu ein Earl. Und reich wie Krösus, Gott sei Dank.
Er hatte Marina ein Erste-Klasse-Ticket geschickt plus der schriftlichen Zusage, dass er persönlich für alle Kosten aufkommen würde. Seine Dankbarkeit kannte offenbar keine Grenzen. Er schrieb, dass er für immer in ihrer Schuld stehen würde.
Als sie an den Brief und die unglaublich förmlich klingenden Worte dachte, lächelte Marina. Der Mann war durch und durch ein britischer Aristokrat – aber anscheinend ganz süß.
„Ah, du lächelst“, sagte Shane und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Das heißt, du hast mir verziehen.“
Weil sie ihrer eigenen Stimme nicht traute, löste sie sich aus seinen Armen und schloss den Koffer. „Wir müssen uns bald auf den Weg zum Flughafen machen“, erklärte sie sachlich. „Falls du mich immer noch hinfahren willst, heißt das.“
„Warum sollte ich dich nicht fahren wollen? Sei doch nicht so empfindlich, Sweetheart.“ Er hob den Koffer vom Bett und legte den freien Arm um ihre Schulter.
„Ich weiß, warum du dich so abweisend verhältst“, meinte er und zog sie an sich. „Du bist wegen des Flugs und der Spende nervös. Eins muss ich dir lassen, Marina: Du bist wirklich unheimlich mutig, dass du dich freiwillig bereit erklärst, all diese Nadeln in dich stechen zu lassen. Ich könnte das nicht. Nicht für eine vollkommen Fremde.“
Sie selbst hielt sich nicht für besonders tapfer. Man hatte ihr versichert, dass der Eingriff nicht schmerzhaft war und sie allenfalls ein paar Tage ein leichtes Ziehen in der Hüfte verspüren würde.
Allmählich dämmerte ihr, dass Shane ein ziemlicher Egoist war. Selbstsüchtig, ehrgeizig und knickrig.
Auf dem ganzen Weg zum Flughafen fingerte Marina an ihrem Verlobungsring herum. Mindestens sechsmal überlegte sie, ob sie ihn nicht abnehmen und Shane zurückgeben sollte. Doch sie tat es nicht. Und so bestieg sie das Flugzeug immer noch als seine Verlobte.
Der Mann, der das Schild mit der Aufschrift „Miss Marina Spencer“ hochhielt, sah überhaupt nicht wie ein Chauffeur aus.
Er trug keine Uniform, sondern einen schwarzen Nadelstreifenanzug mit weißem Hemd und grauer Seidenkrawatte. Darin wirkte er wie ein Geschäftsmann. Ein sehr großer, äußerst attraktiver und immens erfolgreicher Geschäftsmann. Anfang dreißig, schätzte Marina. Sein schwarzes Haar war perfekt frisiert, und ihn umgab eine Aura, die nur wirklich selbstbewusste Männer auszeichnete.
Unwillkürlich stellte sie ihn sich hinter einem großen Mahagonischreibtisch vor, in einem dieser schwarzen Lederdrehstühle – oder in einem Konferenzraum, am Kopf des Verhandlungstischs.
Nichtsdestotrotz wies ihn das Schild eindeutig als den Chauffeur aus, der sie in Heathrow abholen sollte. Also hob Marina ihren Koffer auf einen Gepäckwagen und machte sich auf den Weg zu ihm.
Sein Blick, der die Gesichter der Ankommenden musterte, konzentrierte sich plötzlich auf sie, weshalb Marina plötzlich in ein Paar strahlend blauer Augen schaute, die sich bei ihrem Näherkommen zunehmend weiteten. Offensichtlich hatte er sie sich auch anders vorgestellt.
Zugegeben, sie entsprach nicht unbedingt dem Klischee einer australischen Strandschönheit, das viele Engländer im Kopf hatten. Marina war weder blond noch braun gebrannt, sondern besaß leuchtend rotes Haar und ganz helle Haut.
Zumindest habe ich lange Beine, dachte sie, während sie den Gepäckwagen direkt vor ihm stoppte und ihn höflich anlächelte.
Mittlerweile runzelte er sogar die Stirn.
„Ich bin Marina Spencer“, sagte sie.
Er warf ihr einen endlos langen Blick zu, der sie ziemlich nervös machte. Der zweiundzwanzigstündige Flug hatte sie ganz schön mitgenommen. Sie hatte nicht eine Sekunde geschlafen und obendrein das Flugzeugessen nicht gut vertragen.
Zwar hatte sie ihr Bestes gegeben, um ihr Äußeres wiederherzustellen. Kurz vor der Landung frischte sie ihr Make-up auf. Doch ihre Haut fühlte sich trocken an, die normalerweise glänzenden rotgoldenen Locken hingen schlaff an ihr hinunter, und unter den großen grünen Augen lagen dunkle Schatten.
Die genaue Musterung durch den Chauffeur irritierte sie etwas. Nach einer kleinen Ewigkeit warf er das Schild mit ihrem Namen in einen Papierkorb, dann streckte er ihr
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